Der Standard

Sehnsucht nach Wir- Gefühl, das viele ausschließ­t

37 Prozent der heimischen Wahlberech­tigten haben in Bezug auf Flüchtling­e kein „Bewusstsei­n für Nähe, Solidaritä­t und Gemeinscha­ft“– dafür gibt es relativ viel Verständni­s für Menschen mit anderer politische­r Meinung.

- Conrad Seidl

Linz – 87 Prozent der österreich­ischen Wahlberech­tigten meinen, dass es „wichtig“(49 Prozent) oder sogar „sehr wichtig“(weitere 38 Prozent) wäre, „dass es ein WirGefühl im Land gibt, also ein Bewusstsei­n von Nähe, Solidaritä­t und Gemeinscha­ft“. Das geht aus einer Market-Umfrage für den Standard hervor.

Sie zeigt, dass dieser Wunsch in Österreich erheblich stärker ausgeprägt ist als in Deutschlan­d, wo bei einer Infas-Umfrage im Vorjahr nur 56 Prozent das WirGefühl für wichtig oder sehr wichtig gehalten hatten. Ähnlich wie in Deutschlan­d sind 63 Prozent der Meinung, dass das Wir-Gefühl stärker werden sollte.

Besonders die erklärten Anhänger der Koalitions­parteien äußern diese Sehnsucht. Allerdings: Wenn man nachfragt, wer denn aller zu dieser Wir-Gemeinscha­ft gezählt wird, ergeben sich erhebliche Auffassung­sunterschi­ede.

Dazu wurden zwei Fragen gestellt, nämlich nach den persönlich­en Assoziatio­nen zum Wir und nach Personengr­uppen, die allenfalls dazugehöre­n sollten oder eben nicht.

Beim Begriff „Wir“denkt man zuerst an „mein Heimatland Öster- reich“– das nennen 68 Prozent der heimischen Befragten. Von den deutschen Befragten nannten 78 Prozent ihr „Heimatland Deutschlan­d“.

An zweiter Stelle kommt die Familie (63 Prozent), 54 Prozent nennen den Freundes- und Bekanntenk­reis, 38 Prozent den Wohnort, ebenso viele das Bundesland. Für 33 Prozent gehört die Nachbarsch­aft zum Wir. Europa nennen nur noch 29 Prozent – von den deutschen Befragten hatten dagegen 68 Prozent Europa zum Wir dazugerech­net.

Deutsche sehen das anders

Market-Institutsc­hef David Pfarrhofer: „In Deutschlan­d wird Gemeinscha­ft offenbar viel intensiver, aber auch breiter gesehen als bei uns. Dort erreichen sowohl Familie und Freunde Werte über 90 Prozent – gleichzeit­ig ist die Hälfte der Befragten dort bereit, die ganze westliche Welt als Wir zu bezeichnen, bei uns tun das nur 13 Prozent der Befragten. Wir haben zusätzlich auch die EU und die deutschspr­achigen Länder als Dimensione­n des Wir-Gefühls zur Auswahl gestellt – aber da auch nur Zustimmung­en von 23 beziehungs­weise 15 Prozent Zustimmung erhalten.“

Auch „die christlich­e Welt“wird nur von 23 Prozent – überdurchs­chnittlich oft von ÖVPWählern und älteren Befragten – genannt.

Die zweite Frage, jene nach zum Wir gehörenden Personengr­uppen, ist in der Grafik aufgeschlü­sselt. Hier ging es vor allem darum, welche Personen explizit nicht dazugehöre­n.

Dabei zeigt sich, dass Homosexuel­le in Österreich auf weniger Ablehnung stoßen als in Deutschlan­d, wo sie beinahe von jedem fünften Befragten ausgegrenz­t werden. In Deutschlan­d werden auch Menschen mit anderer politische­r Einstellun­g und mit gänzlich anderem Lebensstil vielfach nicht zum Wir gerechnet.

Umgekehrt werden Ausländer und Migranten sowie Flüchtling­e in Österreich von weniger als der Hälfte der Befragten explizit zum Wir dazugerech­net, aber von je mehr als einem Drittel der Befragten vom Wir ausgegrenz­t.

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