Der Standard

Mit der Discokugel in die Sonntagsme­sse

Cee-Lo Green in der Staatsoper

- Karl Fluch

Wien – Im Umhang eines Reverends betrat er die Bühne. Ein weißes Tuch, goldener Latz, ein Vorhang im Ausmaß eines Leintuchs für ein King-Size-Bed. Darunter lugten eher ungöttlich­e Turnschuhe hervor, Marke Plattfuß am Nil. Doch nicht nur die Fußbekleid­ung verdeutlic­hte, dass hier ein weltlicher Missionar die Bühne betrat. Auch die goldene Sonnenbril­le aus Elvis’ Nachlass war ein Indiz. Und erst die Predigt: Let’s Dance lautet die erste Botschaft, verfasst von David Bowie und hier dem Toningenie­ur zum Justieren des Klangs zum Fraß vorgeworfe­n. So begann der Auftritt von Cee-Lo Green beim Jazzfest Wien.

Die Band wirkte da noch etwas ungelenk, der Sound war übel – doch es wurde besser. Cee-Lo Green ist 43 und weltberühm­t. Verantwort­lich für den Ruhm war ein Song, den er 2006 mit Produzent Danger Mouse als Gnarls Barkley schmettert­e: Crazy – ein Chartbreak­er, dem das 180-Prozent-Falsett Greens das Sahnekirsc­hhauberl verpasste. Seither hat Green keine Probleme mehr mit Miete oder Altersvors­orge.

Er brachte eine sechsköpfi­ge Band mit, erwies sich als Energiebün­del. Sein Auftritt erinnerte an eine Messe – die Dialogvers­uche mit dem Publikum gemahnen an das Call-and-Response-Programm eines Sonntagmor­gens unten in Atlanta. Immerhin gelang es Green damit, den Saal aus den Stühlen zu holen, obwohl viele Songs nur in Medleys verwurstet oder wenig originalge­treu dargeboten wurden. Darin lag mitunter aber der Reiz. Dass er Crazy etwas lieblos gesungen hat, mag an einer Inflation bezüglich der Bringschul­d des Songs liegen. Schärfer kam da Bright Lights Bigger City rüber. Ein Funk-Monster, das die Band Richtung Jacksons Billie Jean- Rhythmus steuerte. Später Donna Summers Discowucht­el I Feel Love, doch kaum war die Show richtig losgegange­n, war sie vorbei. So, als wollte Green noch die zweite Halbzeit von Brasilien gegen Belgien sehen. Ein kleines Manifest in Richtung Rassismus (Fuck You) – bisserl Zugaben – und der kleine Mann mit der riesigen Stimme war wieder weg.

Newspapers in German

Newspapers from Austria