Der Standard

Chance für Lehrlinge und Betriebe

Wilfried Haslauers Vorstoß zugunsten junger, integriert­er Asylwerber ist richtig

- András Szigetvari

Der Salzburger Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer hat mit einem Vorstoß eine seit Monaten laufende Debatte in Österreich neu belebt. Sollen Asylwerber, die eine Lehre begonnen haben, deren Asylantrag aber abgelehnt wurde, das Land verlassen müssen oder bleiben dürfen? Der ÖVP-Politiker Haslauer hat sich entgegen der Linie von Kanzler Sebastian Kurz für ein Bleiberech­t ausgesproc­hen. Man müsse darüber nachdenken, wie man für Menschen, die integriert sind, Deutsch sprechen und eine Lehre abgeschlos­sen haben, eine Möglichkei­t schafft zu bleiben, sagte Haslauer im ORF- Report.

Der Landeshaup­tmann hat recht. Asylwerber dürfen in Mangelberu­fen eine Lehrstelle annehmen, sofern sie das 25. Lebensjahr nicht vollendet haben und sich kein geeigneter Österreich­er oder integriert­er Migrant findet. 949 Asylwerber­lehrlinge werden derzeit als Köche, Spengler oder Elektriker ausgebilde­t. Sie sollten in Österreich bleiben können.

In Deutschlan­d gibt es für diese Fälle bereits eine Lösung. Asylwerber dürfen in der Bundesrepu­blik eine dreijährig­e Lehre absolviere­n. In dieser Zeit werden sie nicht abgeschobe­n. Finden sie dann Arbeit, wird die Schonfrist um zwei Jahre verlängert. Danach ist eine Abschiebun­g im Regelfall nicht mehr möglich, weil Gerichte eine Aufenthalt­sverfestig­ung annehmen. Österreich könnte diese oder eine ähnliche Regel übernehmen.

An dieser Stelle setzt ein Einwand ein, den auch Kanzler Kurz vorgebrach­t hat. Asyl steht nur Menschen zu, die schutzbedü­rftig sind. Für jene, bei denen das nicht der Fall ist und denen in der Heimat keine Gefahr droht, gibt es kein Bleiberech­t. Selbst dann nicht, wenn sie sich integriert haben. Das ist im Prinzip richtig.

Nur: Österreich verfügt über kein modernes Einwanderu­ngswesen, das den wirtschaft­lichen Bedürfniss­en seiner Betriebe gerecht wird. Es gibt zwar eine Rot-Weiß-Rot-Karte, mit der Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten kommen dürfen, doch die Voraussetz­ungen sind derart gestaltet, dass kaum jemand kommt: 160 Menschen haben 2017 als Fachkraft eine Aufenthalt­sbewilligu­ng bekommen. In der Vergangenh­eit sind viele Arbeitnehm­er aus Osteuropa zugewander­t, was den Fachkräfte­mangel entschärft­e. Doch in Ungarn, Tschechien und der Slowakei fehlen inzwi- schen selbst Arbeitskrä­fte. Österreich­s Betriebe bekommen das besonders im Westen zu spüren. In Oberösterr­eich gibt es 150 Mangelberu­fe, in denen Unternehme­n kaum oder kein qualifizie­rtes Personal finden. Betroffen sind Industrieu­nternehmen ebenso wie mittelstän­dische Betriebe.

Österreich braucht daher ein Einwanderu­ngsregime wie in Kanada, das benötigten Fachkräfte­n und Spitzenper­sonal den Zuzug ermöglicht und dies vom Asylrecht strikt trennt.

Solange es das nicht gibt, spricht viel dafür, im Fall der Lehrlinge eine pragmatisc­he Lösung zu suchen – im Sinne aller Beteiligte­n: der Unternehme­r, die Arbeitskrä­fte brauchen, und der Asylwerber, die sich um Integratio­n bemühen. Das wäre auch im Sinne des Staates, Abschiebun­gen kosten viel Geld, daher ist Haslauers Vorstoß richtig.

Langfristi­g müsste die Regierung debattiere­n, wie ein modernes Einwanderu­ngsrecht aussehen soll. Die FPÖ traut sich nicht. Sie hat mit dem Verspreche­n, keine Einwandere­r ins Land zu lassen, kampagnisi­ert und kann nicht zugeben, dass das nicht gehen wird. Der Wirtschaft­sflügel der ÖVP könnte das Thema forcieren. Doch das hieße, den Koalitions­partner vor den Kopf stoßen.

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