Der Standard

England tröstet sich mit der Annahme, dass das junge Nationalte­am für eine äußerst vielverspr­echende Zukunft viel gelernt habe, über die knappe Halbfinaln­iederlage gegen Kroatien hinweg. Coach Gareth Southgate stellt sich vor seinen Kapitän, steht vor ein

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Man könnte natürlich auch dem alten Bill Shankly recht geben und sich der totalen Verzweiflu­ng hingeben. „Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellun­g nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist“, hatte der legendäre schottisch­e Trainer einst gesagt. Ein etwas modernerer Kollege, Gareth Southgate, war nach Englands Semifinaln­iederlage zwar traurig, aber doch nicht zu Tode betrübt. „Diesmal haben wir es nicht geschafft, aber wir werden daraus lernen“, sagte der Coach der Three Lions nach dem in der Verlängeru­ng erlittenen 1:2 gegen Kroatien. Er sei überzeugt, dass es „solche Erfahrunge­n“seien, die eine Mannschaft „zu einem Gewinnerte­am“mitformen, sagte der 47-Jährige: „Was in den vergangene­n Wochen passiert ist, wird uns stärker machen.“

Prinzliche­r Trost

Der Thronfolge­r himself gab dem Volk in der Niederlage die Tonalität vor. „Ich könnte nicht stolzer auf dieses Team sein“, twitterte Prinz William, der auch Präsident des englischen Fußballver­bandes FA ist: „Ihr hattet eine unglaublic­he WM, habt Geschichte geschriebe­n und uns Fans etwas gegeben, an das wir glauben konnten. Wir wissen, dass von dieser Mannschaft noch mehr zu erwarten ist.“

Quasi in stolzer Trauer verharrte auch Kapitän Harry Kane, der in den K.-o.-Spielen ohne Torerfolg geblieben war, angesichts der wenig lockenden Partie um Rang drei und eines Vorsprungs von zwei Treffern auf die Konkurrenz aber immer noch leicht Schützenkö­nig der russischen Endrunde werden könnte. „Wenn es den Fans ein wenig hilft, nehme ich den Preis gerne mit“, sagte der mit seinen 24 Jahren jüngste englische Kapitän aller bisherigen Zeiten. Die Niederlage schmerze, „sehr sogar, aber wir können die Köpfe weit oben behalten. Wir sind weiter gekommen, als ganz viele gedacht haben.“Gemutmaßt wurde, dass Kane nicht völlig fit ins Spiel gegangen war. Seit der zweiten Spielhälft­e im Achtelfina­le gegen Kolumbien sei ihm der Stürmer angeschlag­en vorgekomme­n, sag- te der Ex-Internatio­nale und TVAnalyst Gary Neville auf Sky Sports. Southgate widersprac­h der Einschätzu­ng seines ehemaligen Nationalte­amkollegen und ließ auch die leise aufkommend­e Kritik am Torjäger von Tottenham nicht zu: „Er hat das Team brillant durch die WM geführt. Ich könnte nicht mehr von ihm als Kapitän oder als Mensch verlangen.“Und: „Wir sind als Kollektiv hierhergef­ahren, und wir fahren als Kollektiv nach Hause.“Für viele Engländer wurde die Mannschaft zu einem Sinnbild eines neuen Gemeinscha­ftsgefühls. „Danke für die erlösende Ablenkung vom Brexit. Wir sind stolz auf euch. Danke, dass ihr uns vereint habt“, schrieb der Independen­t.

Tatsächlic­h wartet daheim weder auf Kane oder den Coach der Ritterschl­ag, aber große Sympathie und Zukunftsho­ffnungen. „Der Traum ist vorbei, aber nun haben wir 23 Löwen“, schrieb die Sun im selben kämpferisc­hen Ton wie die meisten Zeitungen auf der Insel. „Zutiefst erschütter­t, aber diese junge Truppe hat absolut alles gegeben. Das ist ein großer Schritt nach vorne, und sie können nur noch besser werden“, fasste Chefkommen­tator Gary Lineker die Emotionen der mit dem Team leidenden Anhänger zusammen. Southgate, dessen Vertrag nun entgegen der Abmachung noch vor der erfolgreic­hen Qualifikat­ion für die EM 2020 bis zur WM-Endrunde 2022 in Katar verlängert werden könnte, zeichnete jedenfalls eine rosige Zukunft. „Wir wollen eine Mannschaft sein, die in Finale einzieht. Das ist es, was wir langfristi­g ins Auge gefasst haben, und wir haben bewiesen, dass es möglich ist.“

Psychospie­l um Platz drei

Näher liegt allerdings das erste Finale seit 1990 in Italien, als es ebenfalls um Platz drei ging (und ein 1:2 gegen die Gastgeber setzte). Am Samstag warten die Belgier in Sankt Petersburg. „Um ehrlich zu sein: Das ist ein Spiel, das kein Team spielen will“, sagte Southgate. „Es ist natürlich eine sehr schwere Aufgabe, jeden mental dort wieder hinzubring­en.“Kieran Trippier, Torschütze gegen die Kroaten, dürfte verletzt ausfallen. (APA, sid, lü)

 ??  ?? Englands Goalie Jordan Pickford blickt enttäuscht ins Leere, aber auch in Anbetracht seines Alters (24) vielen Jahren mit großen Möglichkei­ten für Englands Fußball entgegen.
Englands Goalie Jordan Pickford blickt enttäuscht ins Leere, aber auch in Anbetracht seines Alters (24) vielen Jahren mit großen Möglichkei­ten für Englands Fußball entgegen.
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Foto: APA / AFP / Franck Fife Gareth Southgate soll England zur WM 2022 nach Katar führen.

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