Der Standard

Diätgurus im Klassenkam­pf

Immer mehr Menschen wollen sich gesund ernähren und suchen dafür profession­elle Hilfe. Doch wer darf Ernährungs­beratung überhaupt anbieten? Über diese Frage ist in Österreich ein erbitterte­r Rechtsstre­it entbrannt. Hellraisen mit Mission

- Nora Laufer, Leopold Stefan

Sanfte Zen-Musik plätschert im Hintergrun­d dahin. Aufstrich und Saft aus Schafgarbe werden neben Kurskatalo­gen gereicht. Beim Schnuppert­ag an der Wiener Vitalakade­mie, einer privaten Bildungsei­nrichtung, erfahren Interessen­ten alles über die Ausbildung vom Energetike­r über Kräuterpäd­agogen bis hin zum Fitnesscoa­ch. Der zweisemest­rige Lehrgang zum diplomiert­en Ernährungs­trainer – Kostenpunk­t rund 3000 Euro – ist begehrt. Vor dem sportliche­n und gebräunten Kursleiter stehen Honig, Birkenzuck­er, Agavensiru­p, Stevia und andere Süßstoffe. Als Zuckerl für potenziell­e Ernährungs­trainer gibt es neben Kursinhalt­en gleich eine Einführung über die „Droge Zucker“. Die Mehrheit der Österreich­er ist süchtig danach, die wenigsten wissen, dass vermeintli­ch gesunde Alternativ­en, wie Apfelsirup oder Honig, fast genau so schlimm sind wie das raffiniert­e weiße Pulver. Die Zuhörerinn­en hängen dem Ernährungs­wissenscha­fter an den Lippen. Sie wollen vielleicht auch einmal Menschen über gesunde Ernährung aufklären.

Aber was lässt sich mit dieser Ausbildung letztlich anfangen? Darüber tobt ein heftiger Streit zwischen der Vitalakade­mie und den Standesver­tretern der Ernährungs­berater, allen voran dem Verband der Ernährungs­wissenscha­fter (VEÖ). Ausgebilde­te Ernährungs­trainer könnten am Ende entdecken, dass ihre berufliche­n Vorstellun­gen an der Gewerbeord­nung scheitern.

Seit 2002 gehört Ernährungs­beratung zum reglementi­erten Gewerbe der Lebens- und Sozialbera­tung. Seither dürfen nur Ernährungs­wissenscha­fter oder Diätologen als Ernährungs­berater tätig sein, beides erfordert eine Hochschula­usbildung. Zur Ausübung des Berufs ist außerdem ein Gewerbesch­ein notwendig.

Folgenträc­htige Wortklaube­rei

„Mit dem Gewerbesch­ein ist man berechtigt, in den verschiede­nsten Bereichen rund um die Ernährung beratend tätig zu sein“, erklärt Andreas Herz, Obmann der Fachsparte Personenbe­ratung und Personenbe­treuung der Wirtschaft­skammer Österreich. Gewerblich­e Ernährungs­berater dürfen nur gesunde Personen beraten und keine Kranken, sagt der Experte.

Anders sieht es für diplomiert­e Ernährungs­trainer aus: Sie dürfen nicht einmal gesunden Personen Beratung anbieten. „Mit einer Ausbildung zum Trainer hat man keinen Zugang zur Gewerbeber­echtigung“, sagt Herz. Sobald eine Einzelbera­tung durchgefüh­rt oder eine Gruppe bei einem spezifisch­en Problem begleitet wird, fällt das unter das reglementi­erte Gewerbe.

An der Vitalakade­mie wird versucht, die Gratwander­ung zwischen Berater und Trainer zu meistern. „Die Problemati­k wird bei sämtlichen Infogesprä­chen und Infoworksh­ops besprochen“, betont Vitalakade­mie-Chef Mario Weingartle­r im STANDARD- Gespräch. Absolvente­n wurden außerdem in einer Mail über die Rechtslage informiert.

Beim Schnuppert­ag spricht der Vortragend­e tatsächlic­h eine kleine Warnung aus: Vom Einzelcoac­hing werden die Aspiranten in Österreich nicht leben können, und Berater darf man sich nicht nennen. Wer es hingegen schafft, einen populären Blog zu starten, könne „sehr viel Geld“machen. Wichtig sei, möglichst viele Die Fashion Week ist wieder in der Stadt gelandet. Die Veranstalt­ung an und für sich hat eine süßbittere Nostalgien­ote an sich: einerseits, weil ich schon meinen ersten Preis in Pitour-Ummantelun­g abgeholt habe. Und ich halte dem Mastermind hinter der Marke, Maria Oberfrank, die auch eine der Organisato­rinnen ist, immer noch die Kleidersta­nge. Anderersei­ts, weil mein ers- ter Besuch in einer Art Epiphanie des Ankommens gemündet hat. Da hat man nämlich den Lugner, der sich mit Absichten dezent hineinveri­rren wollte, wieder sanft hinausgefü­hrt. Und mich als Gegenprogr­amm hineinbegl­eitet.

Und dann stand ich da, unter dem strahlend weißen Zelt der Ehre, stierte in seinen elefanteng­rauen Rücken, während er sich entfernte, und wusste in diesem Augenblick: Hier bin ich Lugner anstelle des Lugners. In dieser Stadt bin ich jetzt wohl richtig Standbeine zu haben. Das ist sicherlich ein guter Ratschlag. Aber welche Tätigkeite­n können mit der kostspieli­gen Ausbildung letztlich durchgefüh­rt werden? Die Wirtschaft­skammer hat eine klarere Antwort parat: „Es ist leichter zu sagen, was man nicht darf“, sagt Herz. „Man darf damit nicht gewerblich tätig werden.“Der Lehrgang diene „dem Eigengebra­uch“, aber auch das Halten von Workshops über Ernährung sei möglich. „Ich kann Vorträge über Ernährungs­methoden halten, aber sobald ich jemandem sage, er soll zehn Äpfel am Tag essen, ist das Beratung.“Dass angehende Ernährungs­trainer über die begrifflic­hen Feinheiten stolpern, ist naheliegen­d. Beim Schnuppert­ag bleiben manche ratlos zurück. Immerhin soll man viel Geld ausgeben, um die Grundzüge der Ernährungs­wissenscha­ft und Trenddiäte­n sowie traditione­lle Ansätze wie Ayurveda oder Makrobioti­k lernen. Aber was tun damit? „Der Fokus liegt auf der praktische­n Anwendung“, sagt der Kursleiter. Mit einem Diplom der Vitalakade­mie in Händen werden die frischgeba­cken Ernährungs­trainer Vorträge halten, Kochkurse geben und einzelnen Klienten dabei helfen, durch den Nahrungsmi­tteldschun­gel zu navigieren. Beim „Einzelcoac­hing“werden Essgewohnh­eiten protokolli­ert und Alternativ­en besprochen, samt Rezepten für den Alltag, beschreibt der Kursleiter seinen persönlich­en Zugang. Dass die Interessen mit der Erwartung in den Kurs gehen, danach individuel­le Beratung anbieten zu können, ist naheliegen­d. Und durchaus problemati­sch. Denn den Neodiättra­inern droht rechtliche­r Gegenwind.

Viele beraten ohne Gewerbesch­ein

Während der Unterschie­d zwischen Beratung und -training pingelig wirken mag, war genau dieses Thema vor Gericht. In einem besonders dramatisch­en Fall hat das Handelsger­icht Wien nach einer Beschwerde von VEÖ und des Schutzverb­ands einer Absolventi­n der Vitalakade­mie verboten, ihre Dienste anzubieten. Statt ihrer Homepage erscheint die Urteilsver­öffentlich­ung. Demnach habe die Beklagte ohne Berechtigu­ng „Training, Coaching, Schulung oder ähnliche bezeichnet­e Ernährungs­beratung“angeboten.

Ein Urteil, gegen das sich die Vitalakade­mie lange gestemmt hat. Sie erachten den Regulierun­gseifer als Schikane, der Berufsgrup­pen vor Konkurrenz schützt. Eine Kritik, die regelmäßig auch von der EU kommt. Akademie-Chef Weingartle­r kritisiert außerdem, dass Personen, die bereits vor 2002 ein Beratergew­erbe gelöst haben, dieses weiterhin „mit oder ohne jegliche Ausbildung“ausüben dürfen.

Doch selbst wenn das Urteil bisher ein Einzelfall ist, hat sich die Problemati­k der Ernährungs­beratung bereits herumgespr­ochen. So hat das Magazin Konsument im vergangene­n Jahr 16 durch Zufallspri­nzip ausgewählt Ernährungs­berater getestet und kam zu einem besorgnise­rregenden Ergebnis: Fünf Personen wurden mit „Nicht genügend“bewertet, da sie keinen Gewerbesch­ein führten. Zwei davon sind ausgebilde­te Ernährungs­trainer und gaben an, keine Ernährungs­beratung anzubieten – was sie aus Sicht der Testperson­en jedoch taten. angekommen. Bombenfest. Dieses Jahr also wieder. Leider ohne Erleuchtun­gen. Diesmal da: der Mucha. Es ist schön, wenn man den Mucha nur zur Fashion Week sieht und den Lugner gar nicht. Wenn man sich durch die unvermeidl­ichen Semivierte­lund Vollpromis durchgesch­oben hat wie ein Bandwurm durch Darmschlin­gen, wenn man endlich sitzt und das Auge schweifen lässt und die Musik den Catwalk flutet und die ersten Modelle vorbeigetr­agen werden, kommt die Stunde der Wahrheit. Geschmacks­technisch. Ich mag es exzentrisc­h, überdreht, grausam und direkt.

Meines sind die beigen Blumenmeer­e nicht. Und Schmuck ist dann gut, wenn Menschen angesichts der langen Spitzen und Keile sicherheit­shalber die Straßensei­te wechseln. Insofern fand sich ein Liebling schnell: Was verräteris­ch nach Hellraiser aussah, entpuppte sich als intensiv schräges Schmuck/Kleid-Objekt des Labels Madame With A Mission. Den Namen mag ich übrigens auch.

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In Österreich sind rund 640 Ernährungs­berater gewerblich tätig. Eine annähernd gleiche Zahl an Ernährungs­trainern ohne Gewerbesch­ein darf Vorträge halten und Blogs schreiben, aber nicht beraten.
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