Der Standard

EU setzt auf Pakte in Nordafrika

Um die illegale Migration im Mittelmeer zu beenden, will die Union Deals mit nordafrika­nischen Staaten nach dem Vorbild der Türkei machen. Beim Brexit geht es in finale Gespräche.

- Thomas Mayer, Manuela Honsig-Erlenburg

Die Europäisch­e Union setzt bei ihrer Migrations­politik verstärkt auf restriktiv­e Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration und des Schlepperw­esens. Dazu sollen bis Jahresende möglichst viele Punkte in den Vorschläge­n der EU-Kommission zum Ausbau der gemeinsame­n Grenzschut­zbehörde Frontex umgesetzt werden. Zusätzlich will man umfassende Kooperatio­nsmaßnahme­n mit nordafrika­nischen Staaten angehen.

Diese Ziele haben der Ständige Ratspräsid­ent Donald Tusk, Kommission­schef Jean-Claude Juncker und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag zum Abschluss des informelle­n EU-Gipfels in Salzburg in einer Pressekonf­erenz betont. Man wolle sich darauf konzentrie­ren, das Machbare umzusetzen, und nicht, wie seit Jahren, weiter im Streit über die Verteilung von Flüchtling­en verharren, sagte Kurz.

Dabei geht es um Wirtschaft­shilfe ebenso wie um die Stärkung der nationalen Küstenwach­en. Die geplanten Aufnahmela­ger werden aber zunächst kaum eine Rolle spielen. Teilweise kritische Distanz zu diesen Erklärunge­n ließ die deutsche Kanzlerin Angela Merkel erkennen. Sie stellte sich zwar hinter den Plan, Abkommen zu schließen, und es sei gut, Frontex zu stärken und Rückführun­gen zu beschleuni­gen. Dazu seien „die Kontakte zu nordafrika­ni- schen Staaten voranzutre­iben“. Allerdings will sich Merkel nicht damit abfinden, dass eine mögliche Verteilung von bereits in Europa anwesenden Flüchtling­en nur auf freiwillig­er Basis stattfinde­n solle. Es könne nicht sein, dass manche sich von Verpflicht­ungen „freikaufen“, sagte sie.

Offen kritisiert­e Gerald Knaus, der als Architekt des EU-Türkei-Deals gilt, die angekündig­te Kooperatio­n der EU mit Ägypten auf Anfrage des STANDARD. Die EU schiebe damit nur auf der Hand liegende Probleme wie die ernste humanitäre Situation auf den griechisch­en Inseln oder die ungelöste Situation mit den Rettungsbo­oten weg, um eine Scheinlösu­ng zu verkaufen. Ägypten spiele in der gesamten europäisch­en Asyldebatt­e eine nur marginale Rolle. In den vergangene­n Jahren seien aus Ägypten keine Boote mehr angekommen, was Kanzler Kurz in Salzburg auch als Vorbild betonte. Außerdem werde suggeriert, dass Menschen, die eben nicht aus Ägypten, sondern aus Nigeria, Mali oder anderen Staaten per Boot kämen, wieder nach Ägypten zurückgebr­acht werden könnten. Das würde jedoch gegen jegliches internatio­nale Recht verstoßen.

Stunde der Wahrheit beim Brexit

Beim zweiten wichtigen Thema des Treffens, dem Brexit, gab es inhaltlich keine greifbaren Fortschrit­te. Allerdings ist nun definitiv geklärt, wie der Prozess bis zu einem Abschluss der Verhandlun­gen ablaufen wird. Kurz sagte als EURatsvors­itzender, man sei übereingek­ommen, die Zeit bis zum nächsten regulären EU-Gipfel am 18. Oktober dazu zu nutzen, die offenen Streitpunk­te aus dem Weg zu räumen. Beide Seiten, die EU-27 wie auch die britische Regierung, müssten sich „aufeinande­r zubewegen“, man müsse „einen harten Brexit auf jeden Fall verhindern“.

Wie das gehen soll, blieb offen. Tusk betonte, dass es Mitte November einen Brexit-Sondergipf­el geben könne, um den Austrittsv­ertrag auch formal abzuschlie­ßen. Ohne „großes Finale“werde der Termin im November aber nicht stattfinde­n. Ein Scheitern sei zwar nicht auszuschli­eßen, so Tusk. In Salzburg hätten die Staats- und Regierungs­chefs dennoch einen wichtigen Schritt gesetzt, indem sie die absoluten Limits für die Brexit-Verhandlun­gen fixierten: Es werde keinen britischen Austrittsv­ertrag geben ohne „solide rechtsverb­indliche Lösung“für die Frage des irischen Grenzregim­es. Die EU-27 stünden alle voll hinter Chefverhan­dler Michel Barnier, der ein Rosinenpic­ken beim Binnenmark­t ausschloss.

Die britische Premiermin­isterin Theresa May hatte beim Arbeitsess­en der Regierungs­chefs in der Felsenreit­schule in der Nacht auf Donnerstag noch einmal kurz die Positionen ihrer Regierung dargelegt und betont, dass sie trotz der festgefahr­enen Verhandlun­gen vom Ziel einer selektiven Teilnahme am Binnenmark­t nicht abrücken wolle. Ein zweites Referendum schloss sie aus. Ohne konkret zu werden, kündigte sie neue Vorschläge zu Irland an.

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