Der Standard

Orbán erklärt der EU den Krieg

Für die ungarische Demokratie kommt das Artikel-7-Verfahren gegen Budapest zu spät. Für die Europäisch­e Union ist es der Anfang turbulente­rer Zeiten. Orbán hat alle Hemmungen fallenlass­en.

- Balazs Csekö

Wir stehen für die kommende Europawahl bereit, bei der die Bürger die Demokratie wieder in die europäisch­e Politik zurückhole­n können“, schloss Viktor Orbán seine Interventi­on bei der Debatte über den Sargentini-Bericht im Europäisch­en Parlament vor einer Woche ab. Die letzten Worte aus der Rede des ungarische­n Regierungs­chefs vor dem Plenum in Straßburg lassen wenig Gutes ahnen. Sie deuten einen brutalen EUWahlkamp­f an und gleichen einer Kriegserkl­ärung an die Europäisch­e Union.

„Ungarn lässt sich nicht erpressen, sondern wird seine Rechte schützen, wenn nötig auch gegen Sie“, rief Viktor Orbán ins Plenum. Damit machte er den Abgeordnet­en des Europäisch­en Parlaments deutlich, dass jede Art von Verhandlun­gsversuch über die Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit Ungarns zum Scheitern verdammt ist. Ergo: Auf den Wunsch der Europa-Abgeordnet­en nach Veränderun­g wird gepfiffen. An dem System Orbán wird nichts geändert.

Die Einleitung des Vertragsve­rletzungsv­erfahrens ist zu begrüßen, jedoch wird es kaum Einfluss auf die ungarische­n Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit haben. Die Zeiten sind bereits passé, in denen die EU-Institutio­nen dem Orbánismus in Ungarn noch ein Ende hätten setzen können. Der ehemalige Hoffnungst­räger der europäisch­en Konservati­ven wird keinen Zentimeter nachgeben. Er ist kein Mann der Kompromiss­e. Er war auch nie einer.

Parallelen zur aktuellen Situation Orbáns lassen sich in seiner persönlich­en Vergangenh­eit finden. Etwa vor den Parlaments­wahlen im Jahr 2006, als ihn der damalige Premier Ferenc Gyurcsány vor laufenden Kameras bei einem TV-Duell verbal vernichtet­e und den derzeitige­n Regierungs­chef als inkompeten­ten Politiker darstellte. Die verlorene Debatte – und die darauf folgende Wahlnieder­lage – veränderte Orbáns Persönlich­keit grundlegen­d. Seitdem wird die Innenpolit­ik seiner Fidesz dem Prinzip „anything goes“folgend gestaltet.

Keine Grenzen mehr

Es könnte diesmal ähnlich kommen. Bis dato hat Orbán gewisse politische Grenzen innerhalb der EU respektier­t, dennoch sind diese für ihn mit dem Sargentini­Votum endgültig gefallen.

Von jetzt an zieht Orbán gegen die Union in den Krieg. Wie ein beleidigte­r Bub wird er mit immer radikalere­n Methoden versuchen, die EU-Institutio­nen zu diskrediti­eren. Besondere Bedeutung soll dabei der Europawahl und der Migrations­thematik zukommen. Gemeinsam mit dem italienisc­hen Innenminis­ter Matteo Salvini wird sich Orbán als „Schützer Europas“präsentier­en, wobei das Merkel-Macron-Duo als „Migrations­verfechter“dargestell­t wird. Die europäisch­en Wähler können sich bereits auf eine nie da gewesene, hochemotio­nale Wahlkampag­ne vorbereite­n.

Unterstütz­ung könnte Orbán ebenfalls von Regierunge­n außerhalb der EU erhalten. Mit Argusaugen wird die Lage von seinen illiberale­n Verbündete­n am Rande Europas und in den USA beobachtet. Von Moskau über Ankara bis nach Jerusalem und Washington gibt es politische Kräfte, die an einer Schwächung, wenn nicht sogar der Zerstörung der Union In- teresse haben. Zum opportunen Zeitpunkt könnten diese Orbán bei seinem Kampf gegen den europäisch­en Staatenver­bund behilflich sein.

EU in Ruinen

Mit der verspätete­n Aktivierun­g des Artikel-7-Verfahrens gegen Ungarn wird in der Europäisch­en Gemeinscha­ft eine rote Linie gezogen, dennoch ist dies für das Land von rein symbolisch­er Natur. Es wäre leichtsinn­ig anzunehmen, dass Ungarns Premier im EUStreit einlenken könnte. Dies würde gegen die unzähligen autoritäre­n Schritte verstoßen, die er in den letzten acht Jahren getätigt hat. Lieber würde Orbán die EU in Ruinen sehen, als seine eigene Macht einschränk­en zu lassen.

BALAZS CSEKÖ (Jahrgang 1986) studierte Politikwis­senschaft an der Universitä­t Wien. Der gebürtige Ungar lebt als freier Journalist in Wien.

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Viktor Orbán und Emmanuel Macron (im Bild in Salzburg) sind Gegner bei der kommenden EU-Wahl.

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