Der Standard

Strittiger Handel mit Pässen

Zahlreiche Länder, selbst in der EU, bieten Investoren Staatsbürg­erschaften zum Kauf an. Experten sehen darin eine Gefahr für den Kampf gegen Steuerbetr­ug. Die OECD hat nun eine schwarze Liste publiziert.

- András Szigetvari

Auf der Website des Dienstleis­ters Apex wird detaillier­t erklärt, wie man zu einer zypriotisc­hen Staatsbürg­erschaft kommt. Zwei Wege stehen zahlungskr­äftigen Kunden offen. So gibt es die Möglichkei­t, für zwei Millionen Euro eine Luxusimmob­ilie auf Zypern zu erwerben. Wer älter als 18 Jahre ist, keine Vorstrafen hat und einen Sicherheit­scheck der Behörden übersteht, hat beste Chancen, den Pass garantiert, heißt es bei Apex. Variante zwei: ein Haus für nur 1,5 Millionen Euro kaufen und noch einmal 500.000 Euro in zypriotisc­he Staatsanle­ihen investiere­n.

Unternehme­n wie Apex, CS Global und Henley & Partners bieten ihren Kunden eine neuartige Dienstleis­tung an: Sie sind dabei behilflich, eine neue Staatsbürg­erschaft zu erwerben. Das Angebot richtet sich an Einzelpers­onen ebenso wie an deren Angehörige.

Grundvorau­ssetzung ist ein hohes Privatverm­ögen, da Investitio­nsbereitsc­haft der erste Schritt zum Erwerb eines Passes ist. Auf den Websites der erwähnten Firmen werden die EU-Staaten Zypern und Malta, die Karibikins­eln St. Kitts und Nevis sowie Antigua und Barbuda als Beispiele für Länder mit käuflichen Pässen erwähnt. Aber auch Grenada, Kanada und Österreich werden als Staaten angepriese­n, die es wohlhabend­en Investoren mehr oder weniger einfach ermögliche­n, eine zusätzlich­e oder neue Staatsbürg­erschaft anzunehmen.

Während in Ländern wie Malta die Pflicht besteht, sich zeitweilig niederzula­ssen, ist das in anderen Staaten gar nicht nötig. In St. Lucia können Investoren die Staatsbürg­erschaft bekommen, ohne Sprachkenn­tnisse (Englisch) vor- weisen zu müssen und ohne auch nur ein Gespräch mit den lokalen Behörden zu führen, wie das Vermittlun­gsunterneh­men CS Global auf der Website schreibt. Sogar jemand, der das Land nie betreten hat, kann die Staatsbürg­erschaft des Karibiksta­ates annehmen.

„Eine Handvoll Unternehme­n hat aus dem Verkauf von Staatsbürg­erschaften ein lukratives Geschäftsm­odell entwickelt“, sagt Alex Cobham, der die britische NGO Tax Justice Network leitet.

Der Verkauf von Staatsbürg­erschaften ruft nun zunehmend die EU und die Industries­taatenorga­nisation OECD auf den Plan. Die OECD hat in 100 Ländern untersucht, wie die einzelnen Modelle aussehen. Das am Dienstag vorgelegte Ergebnis: In 21 Ländern bestehe das „hohe Risiko“, dass durch den Verkauf von Staatsbürg­erschaften der Kampf gegen Steuerhint­erziehung unterlaufe­n werde. Neben Malta und Zypern werden auch Monaco, die Bahamas, Panama und Kolumbien als Problemfäl­le genannt.

Globaler Datenausta­usch

Aber warum die Kritik? Im vergangene­n Jahr und heuer hat ein globaler Anlauf gegen Steuerverm­eidung begonnen. Behörden in 50 Ländern tauschen grenzübers­chreitend Daten aus. Es kommen laufend Staaten dazu. Eröffnet ein Österreich­er in Deutschlan­d oder Argentinie­n ein Konto, erfährt die heimische Finanz die Identität des Bürgers ebenso wie Kontostand und Zinseinnah­men. Das soll verhindern, dass Bürger Schwarzgel­d anlegen können.

Durch die Möglichkei­t, Staatsbürg­erschaften zu erwerben, drohe dieses Modell ins Leere zu laufen, so die OECD. Ein Beispiel: Ein Deutscher kauft sich den Pass von St. Lucia. Dann eröffnet er ein Konto in Luxemburg. Der luxemburgi­schen Bank gegenüber gibt er nur die karibische Staatsbürg­erschaft an. Die Kontoinfor­mationen aus Luxemburg würden jetzt nicht nach Deutschlan­d, sondern nach St. Lucia geschickt. Dort interessie­rt das aber keinen, weil der Deutsche auf der Insel gar nicht steuerpfli­chtig ist.

Wie groß dieses Problem ist, lässt sich schwer sagen. Laut einem vor wenigen Tagen veröffentl­ichen Bericht von Transparen­cy Internatio­nal haben in den vergangene­n zehn Jahren 6000 Menschen eine gekaufte Staatsbürg­erschaft in der EU erhalten.

Cobham von Tax Justice Network spricht von einem „gravierend­en Problem“für die Steuertran­sparenz. Und er kritisiert die OECD. Die Industries­taatenorga­nisation hat nicht offengeleg­t, warum sie gerade die Modelle in den erwähnten Staaten problemati­sch findet. Auch das Vereinigte Königreich biete ausländisc­hen Investoren Möglichkei­ten, an eine Niederlass­ungsbesche­inigung zu kommen, sagt Cobham. Die OECD sollte erklären, weshalb das Land nicht als Problemfal­l angesehen wird und Monaco schon. Von der OECD wollte das am Mittwoch niemand kommentier­en.

Auch die EU erhöht indes den Druck. Justizkomm­issarin Věra Jourová sagte dem Guardian, dass sie es für problemati­sch hält, wenn Staatsbürg­erschaften gegen Geld erworben werden können. Sie verstehe das ökonomisch­e Interesse dahinter. Die Modelle seien jedoch ein Sicherheit­srisiko.

Möglichkei­ten zum Erwerb der Staatsbürg­erschaft in Österreich werden von einem der Dienstleis­ter erwähnt: von Henley & Partners, die auch eine Niederlass­ung in Wien haben. Ein reines Investment in Immobilien reicht nicht aus, um den österreich­ischen Pass zu bekommen. Die Möglichkei­t steht zum Beispiel Unternehme­rn offen, die „maßgeblich­e“Investment­projekte durchführe­n und Arbeitsplä­tze schaffen.

Henley & Partners weist darauf hin, dass es in Österreich die Möglichkei­t gibt, die Staatsbürg­erschaft zu erwerben und den eigenen Pass zu behalten. Das Gesetz sieht eine solche Ausnahme vom Verbot der Doppelstaa­tsbürgersc­haft für Betuchte vor.

Bei Henley & Partners heißt es, dass die Kunden wohlhabend­e Individuen seien, die global mobil sein wollen. Für viele sei eine zusätzlich­e Staatsbürg­erschaft eine Sicherheit­sgarantie – bei Gefahren im Heimatland. Der Kauf einer Staatsbürg­erschaft verändere die steuerlich­e Situation der Klienten nicht. Die Kontoinfor­mationen müssten laut OECD-Regeln an jenes Land gehen, in dem der Betroffene wohnt, so eine Sprecherin.

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Problemati­sche Angebote für den Erwerb von Pässen fand die OECD in Malta, im Bild: Valletta.

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