Blümel und die Baustelle
Neues Leitbild, neues Statut, neuer Parteiobmann: Die Neuaufstellung der Wiener ÖVP wurde am Samstag besiegelt. Nun ruhen alle schwarzen Hoffnungen auf Gernot Blümel.
Gernot Blümel atmet erleichtert auf. Es ist dieser Moment, als die Zahlen über den Bildschirm flimmern, der die Anspannung der vergangenen Wochen von dem 34-Jährigen abfallen lässt: 94,84 Prozent! Keine Widerstände, keine Querschüsse, sogar der Leitantrag wurde ohne eine einzige Gegenstimme angenommen – was manche beim 35. Landesparteitag der Wiener ÖVP mit ungläubigem Staunen ebenso zur Kenntnis nehmen wie die (für einen Wiener ÖVP-Chef ) enorm hohe Zustimmung.
Gernot Blümel hat es geschafft. Er hat nun einen Job, den eigentlich niemand wollte. Einen Job, der als der politische Schleudersitz in Österreich gilt: Mit der Wahl am Landesparteitag an diesem Samstag im Wiener Museumsquartier ist Blümel nun offiziell neuer Parteichef der Wiener ÖVP. Und damit Obmann jener Partei, die bei dem Wahldesaster am 11. Oktober fast fünf Prozentpunkte verlor und mit 9,24 Prozent erstmals in ihrer Geschichte einstellig wurde. Und auch noch Obmann einer Partei, die ihre Parteichefs verbraucht wie keine andere. Das zeigt nicht zuletzt die Menge an Sitzplätzen, die an diesem Tag im Museumsquartier für die Wiener Ex-Parteichefs reser- viert sind. Die Hoffnungen, die in Blümel gesetzt werden, zeigt die Riege der angereisten ÖVP-Prominenz: Bundesparteichef Reinhold Mitterlehner, alle ÖVP-Minister, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll („Jemand der so etwas tut, verdient nicht nur höchsten Respekt, sondern auch jede Unterstützung“, meinte er über Blümels Bereitschaft, als Wiener ÖVP-Chef zu kandidieren), Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, Ex-Bundesparteichef Michael Spindelegger und natürlich Andreas Khol, ÖVP-Kandidat für die Hofburg. Baustellen. Mit dem 35. Parteitag der Wiener ÖVP geht es nicht nur um die Wahl von Blümel zum Parteichef – es geht um die notwendige Neuaufstellung der Stadtpartei. Wieder einmal. Und fast so, als wäre es bewusst inszeniert worden, passt sich die Szenerie perfekt diesem Thema an: Das Tagungsgebäude ist eingerüstet, es ist eine riesige Baustelle. Dieses Bild der Baustelle wird in den Reden auf der Bühne immer und immer wieder als Metapher aufgegriffen, damit es auch der letzte Funktionär begreift: Die Partei wird völlig umgebaut, dabei gibt es keine Tabus, alles wird infrage gestellt. Und die Zeiten, in denen persönliche Befindlichkeitsstörungen und Intrigen die kleine Stadtpartei geschwächt haben, müssen zu Ende sein – jeder muss mitziehen. Diese Vorgabe sorgt bei der Tagung für eine kleine Überraschung: Es wird offen, direkt, selbstkritisch und auch hart über die Partei und deren Zukunft diskutiert.
Trotzdem ist die Atmosphäre im Saal überraschend positiv. Auf der Bühne und unter Funktionären wird gescherzt, sogar Andreas Khol lacht öfter, keine Spur von Konflikten – es herrscht Aufbruchsstimmung und erinnert mehr an ein Klassentreffen als an einen Parteitag. Immer wieder fällt bei Funktionären im Zusammenhang mit dem Namen Blümel der Begriff „Hoffnungsträger“. Schnellboot statt Öltanker. Einen Erfolg kann Blümel bereits kurz nach Eröffnung der Sitzung verbuchen: Bei der Abstimmung über die neuen Parteistatuten gibt es unter den rund 500 ÖVPMitgliedern im Saal nur eine einzige Gegenstimme. Und das, obwohl dieser Beschluss bedeutet: Viele Gremien werden verschlankt (womit einige ihren Job verlieren) und entmachtet. Künftig werden deutlich weniger in der Partei mitzureden haben. Die Macht wird vom Parteivorstand abgezogen und im Parteipräsidium konzentriert. Also bei Gernot Blümel und seinen Vertrauten. Damit besitzt der Neo-Parteichef so viel Macht wie kein anderer Parteichef der Wiener ÖVP jemals zuvor. Zumindest auf dem Papier.
Argumentiert wird diese Machtkonzentration, die auch den Bereich betrifft, wer künftig einen Listenplatz bei Wahlen bekommt, so: Die Entscheidungen in der Wiener ÖVP müssen deutlich schneller als bisher fallen. Man sei keine Großpartei mehr, müsse schneller reagieren. Nicht nur Parteimanager Markus Wölbitsch bringt bei Nun auch offiziell Wiener ÖVP-Chef Chef der Jungen ÖVP in Wien seiner Präsentation das Bild des trägen Öltankers, der ein Schnellboot werden müsse. Ein Bild, das auch Blümel in seiner Rede immer wieder verwendet. Wohin die Reise mit ihm geht, stellt der nun offiziell gewählte Parteichef schnell klar: Angriffige, kantige Oppositionspolitik, deutlich rechtskonservativer als seine Vorgänger – voll auf der Linie der Bundespartei. Die Zeiten der urbanen, liberalen Stadtpartei, wie sie einst der heutige EU-Kommissar Johannes Hahn forciert hat, sind vorbei.
Zum Thema Mindestsicherung, deren Kürzung wegen des Flüchtlingsansturms in verschiedenen Bundesländern diskutiert wird, poltert Blümel bei seiner Rede vom Podium: „Das wahre
Kein Wiener ÖVP-Chef hatte so viel Macht wie Gernot Blümel. Zumindest auf dem Papier. Unter Blümel positioniert sich die Wiener ÖVP kantiger und rechtskonservativer als bisher.
soziale Problem der heutigen Zeit ist die Ausbeutung des Mittelstandes. Die braven Steuerzahler fühlen sich als Deppen der Nation.“Und, in Richtung der rot-grünen Wiener Stadtregierung: „Wir erleben täglich, wie die Linken agieren und was sie anrichten, wenn sie ungehindert fuhrwerken können, wie sie wollen.“Die bisherige Bilanz von Rot-Grün sei eine Bilanz des Scheiterns, der Skandale und des Wegschauens: „Sie ist lieber nach Kuba auf Urlaub geflogen anstatt sich um islamische Kindergärten zu kümmern“, greift Blümel frontal die zuständige SPÖStadträtin Sonja Wehsely an. Die FPÖ bedenkt er dabei nur mit einem Satz: „Die hat dieses Thema (islamische Kindergärten, Anm.) verschlafen und ist erst jetzt drauf gekommen.“Und als Motto für die Funktionäre gibt Blümel noch aus: „Schluss mit Schuldzuweisungen. Es ist genug gesudert worden – jetzt ist es Zeit, wieder aus den Parteilokalen hinaus zu treten.“Das sorgt für Standing Ovations, die Delegierten sind begeistert.
Nebenbei: Mit Blümel werden auch dessen drei Stellvertreterinnen von der schwarzen Basis gewählt. Die Josefstädter Bezirkschefin Veronika Mickel-Göttfert (88,14 Prozent), Margarete Kriz-Zwittkovits vom Wirtschaftsbund und Elisabeth von Pföstl mit jeweils 87,63 Prozent.