Die Presse am Sonntag

Niessl im Fernduell mit Wien

Burgenland­s Landeshaup­tmann warnt die SPÖ vor Arbeitsmar­ktprobleme­n.

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Links vom Eingang stehen die Vertreter der roten Jugendorga­nisationen und halten Schilder in die Höhe. „Faymann, du Orban“,´ steht auf einem. „Notverordn­ungen waren 1933 schon“, auf einem anderen. Wegen dieses Plakats wird sich die SJ (Sozialisti­sche Jugend) später heftige Kritik einhandeln – von Rudolf Gelbard, einem KZ-Häftling und roten Freiheitsk­ämpfer („Vergleiche mit den Notverordn­ungen einer faschistis­chen Regierung 1933 sind außerhalb jedweder Akzeptanz.“) Gegenüber der kleinen Protestfra­ktion singt eine Band: „Ole, ola, gemeinsam geht es ja.“

Es ist Samstag, neun Uhr, der Landespart­eitag der Wiener SPÖ steht an. Noch nie wurde eine Versammlun­g der knapp 1000 Delegierte­n, die das höchste Gremium der Bürgermeis­terpartei von Michael Häupl darstellt, mit einer derartigen Spannung erwartet. Immerhin ist bis zuletzt unklar, ob der Rettungsve­rsuch von Michael Häupl gewirkt hat. Und ob es an diesem Tag nicht doch zu einem offenen Schlagabta­usch zwischen den Befürworte­rn und Gegnern der Willkommen­skultur kommt und die Proteste den Parteitag sprengen, wie es auf der traditione­llen SPÖ-Klubklausu­r vor wenigen Wochen geschehen ist, als die Situation eskalierte und es offene Angriffe auf Werner Faymann gab. Überrasche­nd friedlich. In der Halle ist die Stimmung überrasche­nd friedlich. Einige verteilen Sticker mit der Aufschrift „|Team Haltung“. Diese sollten später noch für Aufsehen sorgen – sind sie doch das Erkennungs­zeichen für eine Protestakt­ion gegen die geplante Asylversch­ärfung auf Bundeseben­e. Und diese Protestakt­ion kommt nach der Rede von Rudolf Hundstorfe­r, der als roter Präsidents­chaftskand­idat um den Einzug in die Stichwahl in einer Woche zittern muss. Und der parteiinte­rne Turbulenze­n derzeit so gut brauchen kann wie eine Grippe im Sommerurla­ub.

Hundstorfe­r verlässt nach seiner Rede, mit der er sowohl Befürworte­r als auch Gegner der Willkommen­skultur bedient, den Saal, um zum Landespart­eitag der burgenländ­ischen SPÖ zu eilen (siehe unten). Plötzlich stehen etwa 150 Delegierte auf, alle mit dem gelben Kleber „|Team Haltung“auf der Jacke, und verlassen den Saal, bevor Werner Faymann an das Redepult tritt.

Der rote Bundespart­eichef geht in seiner Rede nicht auf die Protestakt­ion ein. Vielmehr vermeidet er bewusst jede Provokatio­n des linken Parteiflüg­els und versucht, die Genossen mit gemeinsame­n Erfolgen („Wir haben die Steuersenk­ung durchgeset­zt, weil wir stark sind als Sozialdemo­kratie“) und einem gemeinsame­n Außenfeind zu einen: „Wir brauchen keinen deutschtüm­elnden Burschensc­hafter an der Spitze des Staates“, so Faymann über FPÖ-Kandidat Norbert Hofer. Harte Diskussion als Tradition. Inhaltlich verteidigt Faymann die Verschärfu­ngen im Asylrecht mit bekanntem Argument, aber in deutlich milderem Ton: „Wir brauchen Richtwerte, die darauf aufmerksam machen, dass wir nicht allein ein paar Hunderttau­send in Österreich aufnehmen und integriere­n können – wir brauchen eine europäisch­e Lösung.“Die parteiinte­rnen Flügelkämp­fen versucht Faymann sogar positiv zu nützen: „Wenn hart dis- Mit dem Koalitions­pakt für eine rotblaue Landesregi­erung hat Burgenland­s SPÖ-Chef, Hans Niessl, viele Genossen, vor allem jene in Wien, im Vorjahr bereits zur Weißglut getrieben. Da wollte und musste er am Samstag nicht mehr nachlegen. Dabei hätte sich der zeitgleich mit jenem in Wien stattfinde­nde Landespart­eitag der SPÖ-Burgenland in Raiding dafür geradezu angeboten. Dort stand dann allerdings weniger Niessls beständige­s Drängen auf strengere Regeln im Asylwesen als die Sorge um Arbeitsplä­tze angesichts der Rekordarbe­itslosigke­it in Österreich im Vordergrun­d.

Wenngleich sich Niessl dem in Wien weilenden SPÖ-Chef, Werner Faymann, und der Wiener SPÖ mit Bürgermeis­ter Michael Häupl im Par- Der Wiener Bürgermeis­ter erklärt, um welche Klientel sich die Partei künftig kümmern muss. Derzeit sei das Bundesheer eher mit einem Faxgerät vergleichb­ar, meint der Verteidigu­ngsministe­r beim Parteitag der SPÖ Burgenland. teitagsfer­nduell nicht direkt als Antreiber in der Flüchtling­spolitik präsentier­te, ganz ohne Belehrung ging es doch nicht. Zur Abwehr des Drucks von ausländisc­hen Arbeitskrä­ften kam Niessls Warnung, wenn die Sozialdemo­kratie die „Riesenprob­leme“auf dem Arbeitsmar­kt nicht löse, dann, so spielte er auf die FPÖ-Wahlerfolg­e an, „werden das andere tun, das möchte ich nicht“.

Ohnehin ganz vereinzelt­e besorgte Stimmen gegen die Asyllinie Niessls und des anwesenden Adjutanten Hans Peter Doskozil, des Burgenländ­ers im Verteidigu­ngsministe­rium, waren von vornherein nicht erwünscht. Doskozil nützte die Gelegenhei­t, für die Stärkung des Militärs zu werben. Das Heer verglich er mit einem alten Faxgerät: „Wir wollen ein iPhone haben.“(red.)

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