Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VON BETTINA STEINER

Buben sind halt so. Das muss man verstehen! Und die Mädchen? Neueste Nachrichte­n aus dem Kinderzimm­er.

Meine Tochter hat einen Ring geschenkt bekommen. Von einem lieben Freund. Er hat ihn ursprüngli­ch für sich selbst gekauft, dann aber beschlosse­n, ihn an Hannah abzutreten. „Der Lukas trägt Ringe?“, frage ich. „Klar“, sagt Hannah: „Ist dir das noch nicht aufgefalle­n? Mehrere! Das schaut total fancy aus! Aber der hier ist ihm zu klein.“

Der hier ist ein Ring mit einem schmalen, goldfarben­en Reif und einem kleinen zur Raute geschliffe­nen Türkis in einer dezenten Fassung. Ein hübsches Stück. Lukas hat offenkundi­g Geschmack. Hannah steckt sich den Ring an den Finger, wedelt ein bisschen mit der Hand in der Luft herum, macht eine Faust und sagt dann: „Ich fühl’ mich voll Gangsta!“

Jetzt muss man wissen, wie man von einem schmalen Goldreif zum Gangsta kommt, aber als gelernte Mutter von Hannah und Marlene fiel mir das nicht rasend schwer. Die Kinder hatten immer schon ein Faible für etwas derbere Spiele. Im Kindergart­en bastelten sie aus Duplo Gewehre, rollten Plastilin zu Munition, und Marlene ballerte mit aufgelesen­en Stecken in der Gegend herum – und wehe, ich versuchte einen zu entsorgen! Noch in der Volksschul­e knabberten sie aus jedem Pumpernick­el einen Pistolenla­uf. Und zu Ostern vor ein paar Jahren trugen die beiden all die Schoko-Küken, Gelee-Lämmer und Kinderüber­raschungs-Hasen, die sie in ihren Nestern gefunden hatten, zusammen und bildeten daraus auf dem Küchentisc­h zwei Bataillone. Unglaublic­h, wie martialisc­h Süßigkeite­n wirken können, wenn sie in V-Formation stehen. Marlene taufte die Schlacht: Schoko-Wars.

Keine Überlebend­en. Bibis BeŻuty PŻlŻce. So war das damals, und so ist es heute, beunruhigt hat es mich nie, es sind friedferti­ge Geschöpfe, die in der Fantasie ihre aggressive Seite ausleben, Mädchen sind halt so. Und darum denkt Hannah, wenn sie einen Ring trägt, nicht an die Schmink-Tutorials von Bibis Beauty Palace oder an den Look irgendeine­s Popstars, sondern sie hat einen Rapper mit Totenkopfs­chmuck vor Augen oder einen Gangster, der seinem Gegner einen Kinnhaken verpasst – und der Siegelring verleiht dem Schlag noch besondere Wucht. „Das wird mein Markenzeic­hen sein“, sagt sie: „Wenn ich zuschlage, bleibt eine kleine rautenförm­ige Narbe!“

Als Mutter hab ich natürlich versucht, sie auf den Boden der Tatsachen zu bringen und ihr gesagt, sie soll mir kurz die Hand geben – und hab dann zugequetsc­ht. Also nicht ganz fest, nur ein bisschen. „Aua!“– „Siehst du?“, hab ich gesagt: „ Das passiert, wenn man einen Ring trägt!“– „Mama, du glaubst wirklich, dass Gangster einander die Hand schütteln?“

Um im Bild zu bleiben: Ich gab mich geschlagen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria