Wir reden über Kunst,
Das Theater an der Wien spielt »Capriccio«, ein Werk, in dem Richard Strauss mitten im II. Weltkrieg die Frage diskutiert, was in der Oper Vorrang hat: Wort oder Ton. Realitätsverweigerung? Weltflucht?
Die Handlung spielt im Paris des Ancien Regime.´ Doch die Uraufführung von Richard Strauss’ letzter Oper, „Capriccio“, fand 1942 in München statt. Mitten im Zweiten Weltkrieg. Der Komponist zog in diesem Stück sozusagen Bilanz, verpackte Weisheiten über das Musiktheater-Leben in eine Rokoko-Komödie, deren Figuren sich über ihre Liebe zur Kunst definieren. Gräfin Madeleine inmitten, die sich nicht entscheiden kann, ob sie mehr in den Komponisten Flamand oder in den Dichter Olivier verliebt ist; und die, um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden, bei den beiden eine Oper in Auftrag gibt. Derweilen diskutiert man, ob Text oder Musik in dieser Oper der Vorrang gebührt, ob das Orchester zu laut spielt . . .
Was sich die Besucher der „Uraufführung im Bombenhagel“gedacht haben mögen? Oper zur Unzeit. Strauss hatte ja eine Hand für Uraufführung-Coups zum ungünstigsten Zeitpunkt. Sein aufwendigstes Werk, „Die Frau ohne Schatten“, kam 1919 in Zeiten der ärgsten wirtschaftlichen Nachkriegsnot an der Wiener Staatsoper heraus. Später ließ er, als die Wiener Bevölkerung angesichts der desaströsen Finanzlage an Delikatessen nicht denken konnte, im Ballett „Schlagobers“einen Firmling sich in einer Konditorei eine Magenverstimmung holen.
München war 1938 Schauplatz der Uraufführung von „Friedenstag“, der in einem knalligen C-Dur-Finale den Westfälischen Frieden feiert. Davon wollten die deutschen Machthaber ein paar Monate später nichts mehr hören: Am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus – „Friedenstag“verschwand von den Spielplänen.
Ein anderes Werk von Strauss durfte gar nicht erst im Repertoire ankommen: „Die schweigsame Frau“erblickte 1936 in der Dresdener Semperoper das Bühnenlicht – und wurde nur viermal gezeigt. Reprisen gab es zwar in Graz, Mailand, Zürich, Prag und Rom. Aber im Dritten Reich war für die neue Komödie kein Platz. Denn der Textdichter war Jude.
Richard Strauss stellt mitten im Zweiten Weltkrieg die Musiktheater-Gretchenfrage.
Dabei war der Komponist überzeugt, in Stefan Zweig den geradezu idealen Librettisten gefunden zu haben, besser noch als zuvor Hugo von Hofmannsthal, dessen Nachruhm den Nationalsozialisten auch nicht gerade am Herzen lag.
Die Nachwelt rechnet es Strauss hoch an, dass er am Tag der Uraufführung der „schweigsamen Frau“darauf bestand, den Namen des Dichters auf dem Abendplakat zu lesen. Die wich-