Ein ungesühntes Attentat am Tag der Arbeit
Es war der erste Politmord an einem Österreicher in der Geschichte der Zweiten Republik: Am 1. Mai 1981, vor 35 Jahren, wurde der Wiener Stadtrat Heinz Nittel in Hietzing von Terroristen erschossen.
Es hat an diesem Freitagvormittag leicht geregnet: Um 6.45 Uhr ist Chauffeur Herbert R. in die Bossigasse in Wien Hietzing bestellt. Dort soll er seinen Chef von zu Hause abholen und zum Liebenberg-Denkmal im 1. Bezirk bringen. Heinz Nittel und seine Gattin wollen sich anschließend in eine Gruppe von Straßenbahnern einreihen, um zum Tag der Arbeit auf dem Rathausplatz einzuziehen.
Doch so weit sollte es nicht kommen. Gegen 7 Uhr kommt Nittel – in grüner Joppe und mit Bergsteigerhut – zum Wagen und nimmt auf dem Beifahrersitz Platz. Man wartet noch auf Frau Nittel. Genau in diesem Moment fallen drei Pistolenschüsse aus nächster Nähe. Der Schütze hatte sich zuvor auf dem Gehsteig zwischen Bossigasse und dem Wohnhaus genähert und mit einer Pistole durch die Scheibe gefeuert. Nittel ist auf der Stelle tot. Der Chauffeur bleibt unverletzt und bekommt alles aus nächster Nähe mit: „Ich sah sofort, dass der Stadtrat am Kopf getroffen worden war. Er rutschte etwas seitlich zu mir und sein Kopf hing etwas nach der linken Seite. [. . .] Noch während die Schüsse abgegeben wurden und ich das Fensterglas des Wagens zersplittern hörte, beugte ich mich tief nach vorn, um gegen die Schüsse Deckung zu haben.“Der geschockte Fahrer sieht noch einen Unbekannten, der sich eine Kapuze über den Kopf gezogen hat, weglaufen – „ganz locker, wie ein Jogger“. Maiaufmarsch abgesagt. Die Nachricht vom Tod des 51-jährigen Stadtrats verbreitete Entsetzen. Auf dem Rathausplatz wurde gegen 8.10 Uhr mitten in den Mikrofonproben verlautbart: „Der Maiaufmarsch der Wiener SPÖ ist abge- sagt.“Stattdessen fand eine improvisierte Trauerkundgebung statt. Während die Fahnen auf Halbmast wehten, mahnte Bürgermeister Leopold Gratz, dass die „extreme Personalisierung“in der politischen Auseinandersetzung Hass erzeuge. Gratz spielte darauf an, dass Nittel nicht unumstritten gewesen war. Eine von ihm befürwortete Flötzersteig-„Autobahn“hatte Proteste hervorgerufen. Der Stadtrat erhielt Drohbriefe. Von diesen Querelen abgesehen galt Nittel als pragmatischer Macher. Der Nichtraucher, Antialkoholiker und Präsident der Arbeiterfischer saß seit 1976 in der Stadtregierung. Ab 1979 war er für Straße, Verkehr und Energie zuständig. „Profil“-Journalist Alfred Worm bescheinigte Nittel einmal den „politischen Charme einer Großkläranlage“, streute dem „Realist(en) im sozialistischen Wiener Rathaus“aber gleichzeitig Rosen: „Apparatschik als Supermann“.
Warum nun ausgerechnet Nittel einem Mord zum Opfer gefallen war, darauf konnte sich zunächst niemand einen Reim machen. Bundeskanzler Bruno Kreisky dachte gar an ein Attentat der Wiener Unterwelt – auf der Mariahilfer Straße war er im Dienstwagen einmal selbst in einen Schusswechsel geraten. „Es ist alles Mögliche herumgeraten worden“, erinnert sich der damalige Innenminister, Erwin Lanc. Kurz vor dem Mord hatten Jugendliche unter dem Slogan „Keine Macht für Niemanden“demonstriert. Ein Kolumnist habe aufgeregt gefragt: „Waren das nicht die?“Lanc verneinte mit Nachdruck und las daraufhin in der Zeitung: „Was ist das für ein Innenminister? Der weiß schon jetzt, wer es nicht war; er soll wissen, wer es war.“
Schon am 3. Mai 1981 war ein obskures Bekennerschreiben einer palästinensischen Terrorgruppe eingelangt, das lang bagatellisiert wurde. Dabei hatte diese Spur Substanz: Der konfessionslose Nittel war seit 1978 Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft (ÖIG) und Mitbegründer des Jewish Welcome Service. Er trat für Soli- Heinz Nittel wurde am 29. Oktober 1930 in Klagenfurt geboren.
wurde er Obmann der Sozialistischen Jugend. 1970 zog Nittel in den Nationalrat ein, von 1976 bis zu seiner Ermordung am 1. Mai 1981 war er dann Verkehrsstadtrat in Wien. Nittel war Mitbegründer des Jewish Welcome Service Vienna und Präsident der ÖsterreichischIsraelischen Gesellschaft.
1954
darität mit Israel ein – was ihn in Konflikt mit Kreisky brachte, der mit der Sache der Palästinenser sympathisierte. Dieses Engagement Kreiskys verfolgte auch das Ziel, präventiv Sicherheit zu schaffen. Denn als Transitland für die jüdische Emigration aus dem Sowjetblock nach Israel war Österreich damals in den Nahostkonflikt involviert: Mehrmals hatten arabische Terrorgruppen Geiselnahmen von Auswanderern geplant oder durchgeführt. Daher stärkte Kreisky dem als gemäßigt geltenden Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO), Jassir Arafat, den Rücken. So würde es diesem gelingen, die verschiedenen Splittergruppen unter Kontrolle zu bringen.
Doch diese Rechnung ging nicht auf: Unterstützt von Syrien, dem Irak und Libyen wollte der PLO-Abtrünnige Sabri al-Bana, genannt Abu Nidal (Vater des Schreckens), jede Entspannung verhindern. Deshalb traf sein stark antisemitisch motivierter Terror Länder wie Österreich, die sich um Vermittlung bemühten. Seit Ende der 1970er-
Was dann geschah, ist wahrlich kein Ruhmesblatt für den Rechtsstaat.