Reisen in den Zeiten der Krise
Tourismus spielt sich nicht im VŻkuum Żã. Welche Ziele in geopolitisch turãulenten Zeiten Żls sicher gelten – un© welche Żuf verãrŻnnter Er©e stehen –, scheint für ©en Sommer fix.
Früher war die einzige Unbekannte in der Gleichung der österreichischen Hoteliers das Wetter. Ein verregneter August verhagelte einem Hotel schnell die Bilanz, wenn es nicht mit alternativen Freizeitangeboten aufwarten konnte. Ein relativ leicht kalkulierbares Risiko im Vergleich zu dem, worauf sich der Tourismus heute einstellen muss. „Jetzt wird die politische Situation mit hineingepackt“, sagt Petra Nocker-Schwarzenbacher, Tourismusobfrau in der Wirtschaftskammer. Der 2014 ausgebrochene Ukraine-Konflikt sei der erste Muntermacher gewesen, der der Branche mehr als deutlich vor Augen führte, dass politische Umbrüche nicht spurlos vorbeiziehen. Doch der 30-prozentige Einbruch bei den russischen Gästen war erst der Vorbote dessen gewesen, was die Tourismusbranche Europas im vergangenen Jahr erschütterte. „Alles hat sich heute verschoben“, sagt Nocker-Schwarzenbacher, etwa durch die Anschlagsserie in der Türkei und im arabischen Raum, die Flüchtlingsströme und das Brexit-Referendum.
Lediglich vier österreichische Urlauber waren am Dienstag mit dem Reiseveranstalter Ruefa in Istanbul, als der Anschlag auf den internationalen Atatürk-Flughafen 44 Tote und mehr als 200 Verletzte forderte. Zugegeben: Städtetouristen buchen immer seltener im Reisebüro und die Ruefa bildet nur einen Teil des Marktes ab. Dennoch zeigt die Zahl deutlich: Die Anschläge der verbotenen Kurdenpartei PKK und der Terrormiliz IS, die zum Teil auch konkret Urlauber ins Visier nahmen, haben den Tourismus des Landes längst in die Knie gezwungen. „Wir hätten jetzt auf das Last-minute-Geschäft gewartet“, sagt Helga Freund, Vorstandsdirektorin des österreichischen Verkehrsbüro-Konzerns. Der Anschlag auf das türkische Drehkreuz zu Beginn der Hauptreisezeit lässt diese Hoffnung weiter schwinden. Die Ruefa-Reisebüros halten zurzeit bei den Türkei-Buchungen bei Umsatzeinbrüchen von 55,4 Prozent. TUI Österreich meldet dort seit Monaten konstant Verluste von 40 Prozent. „Man muss leider sagen: Die islamischen Länder sind vorerst passe“,´ stellt TUI-Österreich-Chef Dirk Lukas fest. Dem stimmt auch Oliver Fritz, Tourismusexperte am Wifo, zu. Ein gewisse „Besorgnisschwelle“sei „überschritten“. Das gelte auch für Tunesien und Ägypten, die ähnliche Einbrüche hinnehmen mussten, aber marginale Märkte im Vergleich zu dem für viele europäische Reiseanbieter ungeschlagenen Favoriten Türkei sind. Teures Ausweichquartier. Eine völlige Kompensation des besonders für Deutsche und Österreicher bedeutenden Reiseziels durch die Krisengewinner Spanien, Italien und Kroatien hält Fritz für unmöglich. Die großen Tourismuskonzerne rafften dort in den vergangenen Monaten Kontingente an Flugsitzen und Hotelbetten zusammen. Die Angst griff um sich, zu schnell ausgebucht zu sein, den türkischen Strandurlaubern nicht ausreichende Alternativen bieten zu können. Schließlich sind diese Länder auch bei Franzosen, Niederländern, Deutschen und bislang auch den Briten beliebt.
Leer werden die kroatische Riviera und Mallorca diesen Sommer bestimmt nicht sein, aber früheren Unkenrufen zum Trotz vermelden TUI als auch Ruefa zu Beginn der zwei stärksten Reisemonate noch Kapazitäten. Obwohl die Reiseströme nicht geschlossen von Ost nach West wandern, ist Lukas mit dem Sommer zufrieden. „Was wir in der Türkei verlieren, holen wir durch das gute Preisbild in den anderen Märkten auf.“Durch die starke Nachfrage müsste man keine Sonderangebote schalten. Auch ist das Ausgangspreisniveau bereits höher als in der Türkei. Und die Hotelpreise dürften, angefacht durch die enormen Buchungszuwächse, kommenden Sommer weiter zulegen. Bulgarien Portugal Kroatien Ägypten Türkei Tunesien Kroatien Spanien Italien
Das freut vielleicht Konzerne wie TUI. Touristen verlangt der Wegfall des vor allem für verhältnismäßig günstige Familien- und Pauschalurlaube attraktiven Ziels Kreativität ab. Die Folgen lassen sich zurzeit an den Buchungsströmen und Reiserouten ablesen: Die bulgarische Schwarzmeerküste wird als günstige Alternative zur Türkei wiederentdeckt. Buchungen für griechische Inseln in der östlichen Ägäis, die bislang aufgrund der dort verlaufenden Flüchtlingsroute großteils von Touristen gemieden wurden, nehmen seit Anfang Juni wieder zu. Fluglinien vermelden einen Boom auf der Kurzstrecke nach Mittel- und Süditalien. Der ÖAMTC bekommt vermehrt Anfragen von Autofahrern, die es nach Italien, Kroatien oder an die deutsche Ost- und Nordsee zieht. Und nach dem Brexit erhoffen sich die Reisebüros noch einen Umsatzzuwachs im Last-minute-Geschäft mit billigen England-Reisen.
»MŻn muss lei©er sŻgen: Die islŻmischen L´n©er sin© vorerst pŻss´e.« »Der SicherheitsfŻktor soll nicht zum VerkŻufsschlŻger ©er SŻison wer©en.«
Gewinner der instabilen geopolitischen Lage dürfte auch Österreich sein. Rund 46 Prozent der Urlaubenden hatten schon in den vergangenen zehn Jahren die heimatlichen Seen und Berge zum Ziel. Vor allem alpine Regionen in Tirol oder Salzburg werden beliebter. Die erstgereihte Auslandsdestination Italien folgte 2015 mit großem Abstand mit 24 Prozent.
Die fröhliche Stimmung in der Branche lässt darauf schließen, dass der hitzebedingte Rekord von vergangenem Sommer abermals gebrochen werden könnte. Der Sicherheitsfaktor soll laut Nocker-Schwarzenbacher aber nicht zum „Verkaufsschlager“der Saison werden. Sie betont lieber Vorzüge wie das „gute Preis-Leistungs-Verhältnis“oder das „breite Angebot“. Als sicherer Ort im Herzen Europas zu gelten dürfte aber nicht schaden. Auch ohne offensive Werbestrategie.