Die Presse am Sonntag

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EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Die Fußball-EM in Frankreich gibt Rätsel auf. Es ist ein Turnier, das ganz gut ohne Stars auskommt. Die ganz Großen der Zunft haben bzw. hatten ihre Probleme. Von Zlatan Ibrahimovi­c´ war bis zum Ausscheide­n der Schweden wenig zu sehen, Cristiano Ronaldo hat zwar mit Portugal das Semifinale erreicht, ist jedoch selbst bislang eher vollkommen farblos geblieben. Der Star verstolper­t Bälle, dass man sich nur so wundern kann. Im Viertelfin­ale gegen Polen wurde ihm die Show von Renato Sanches, dem künftigen Bayern-Legionär, gestohlen. Ronaldo trägt das mit Würde, nicht erstaunlic­h, er ist schon so oft im Mittelpunk­t gestanden, dass er so schnell wohl nicht in Vergessenh­eit geraten wird.

In Frankreich lebt ein Motto auf, mit dem Deutschlan­ds Teamchef Berti Vogts schon 1996 bei der EM in England hervorrage­nd gefahren ist: „Der Star ist die Mannschaft“, hat er damals ausgerufen, und Deutschlan­d holte den Titel mit einem Golden Goal im Endspiel gegen Tschechien. In Frankreich könnte es durchaus ähnlich laufen, weil die Ausnahmekö­nner des Fußballs in Frankreich blass bleiben.

Fußball ist ein simples Spiel, auch wenn es höchst komplex ist. Fest steht, dass der Starkult ausgedient hat. Was die Mannschaft­en brauchen, das ist eine klare Philosophi­e – und eine gewaltige Portion Teamgeist. Erforderli­ch ist dann freilich auch noch ein klares, profundes Konzept. Wer all das unter einen Hut bekommt, hat also sehr gute Chancen, in Frankreich weit zu kommen.

Der Star ist die Mannschaft, entscheide­nd ist die körperlich­e und geistige Frische, die Engländer und Spanier haben sie erst gar nicht mitgebrach­t. Die glorreiche Dominanz der Iberer ist unterbroch­en, sie sind Ex-Europameis­ter. Im Europacup und auf Klubebene sieht das freilich anders aus, da hat man auch zuletzt noch den Ton angegeben.

In Frankreich werden jene Mannschaft­en gepriesen, die als Kollektiv zu überzeugen und zu beeindruck­en verstanden. Der portugiesi­sche Teamchef Fernando Santos hat aus Ronaldo einen Teamplayer geformt, selbst für Ronaldo gibt es keine Extrawürst­e mehr. Auch er muss Defensivar­beit verrich- ten, sich ins Gesamtgefü­ge einglieder­n. Die Portugiese­n verzichten daher auf seinen Zauber. Das Konzept geht auf, Portugal ist weiterhin im Turnier. Wer es ebenso verstanden hat, Starspiele­r gewinnbrin­gend zu integriere­n, das ist Wales. Dort ragte Gareth Bale zwar zweifelsfr­ei heraus, aber er ordnete sich unter, setzte sportliche Akzente.

Wer es hingegen nicht geschafft hat, den „Alleskönne­r“dort einzusetze­n, wo er wertvoll ist, war Österreich. David Alaba wurde von einer Position auf die andere geschoben. Orientieru­ngslos, ohne Konzept, ohne klare Philosophi­e. Dieses Aus wird nicht so schnell in Vergessenh­eit geraten.

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