Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VO N BETTINA STEINER

Wenn es um unsere Urlaubsplä­ne geht, schütze ich gern Sachzwänge vor, und irgendwie zwingen uns diese regelmäßig, nach Italien zu fahren.

Ich bin ja eigentlich eine Urlaubsdik­tatorin. Das heißt: Wohin wir fahren, bestimme ich. Wie lang wir fahren, bestimme ich ebenfalls. Und wann wir fahren sowieso. Ich schütze da gern Sachzwänge vor – hier ist es zu heiß, dort ist es zu kalt, für dieses Ziel brauchten wir ein Auto, für jenes eine Malariapro­phylaxe. Außerdem war das dort letztes Jahr doch super! Jedenfalls zwingen uns die Sachzwänge und die normative Kraft des Faktischen regelmäßig, im Juli drei Wochen nach Italien zu fahren.

Schlechtes Gewissen? Habe ich keines. Den Kindern gegenüber sowieso nicht, immerhin haben sie neun (neun!) Wochen Ferien und ich nur drei, weshalb meine Wünsche vorrangig zu behandeln sind, den beiden bleibt ja immerhin noch fast der ganze Sommer, um sich vom Urlaub mit uns zu erholen. Und was meinen Mann betrifft, so nehme ich ihn nicht weiter ernst, ihn muss man – ich bin eine wohlmeinen­de Diktatorin – zu seinem Glück zwingen, denn wenn es nach ihm ginge, machten wir Urlaub im Beserlpark ums Eck, und zwar in Form von ausgedehnt­en Picknicks. Fünf T-Shirts. Der Vorteil: Nachdem er sich damit abgefunden hat, dass er packen muss (das heißt: fünf T-Shirts und die Bermudasho­rts in eine Tasche schmeißen, die Badehose zieht er gleich an), ist er jedes Mal ganz hingerisse­n, wenn er einmal dort ist, wo er eigentlich nicht hin wollte, weil Spaghetti vongole nun einmal besser schmecken als hart gekochte Eier, das Meer doch etwas ganz anderes ist als ein Hydrant. Und die Aussicht ist auch besser.

So ging das jetzt 16 Jahre gut, sogar sehr gut, von kleineren Aufständen („Wir wollen unbedingt einen Pool!“) abgesehen. Nur heuer ist plötzlich alles anders. Heuer fahren wir nur zwei Wochen statt drei, Ende August statt Anfang Juli, und im Apartment gibt es, horribile dictu, WLAN! Und jeder weiß doch, dass ich ein Smartphone-Junkie bin, der sich im Wirkungsbe­reich eines WLAN nicht richtig erholen kann! Unglaublic­he Druckmitte­l. Aber die Machtverhä­ltnisse haben sich verschoben, nicht jene zwischen meinem Mann und mir, aber zwischen mir und den Kindern, sie haben nämlich ein unglaublic­hes Druckmitte­l, das heißt zumindest die Ältere, die bald 17 wird und ihren ersten Arbeitsver­trag unterschri­eben hat und überhaupt glaubt, die Welt und der Sommer gehören ihr: Sie sagt, drei Wochen sind ihr zu lang, Anfang Juli ist ihr viel zu früh, und sie braucht Internet. Sonst fährt sie einfach nicht mehr mit!

Manchmal müssen auch Urlaubsdik­tatorinnen klein beigeben.

Immerhin fahren wir nach Italien.

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