Nackt: Der Bikiniskandal
sino de Paris, meldeten sich für die Veranstaltung in dem Pariser Nobelbad Molitor, die zugleich als Miss-Wahl propagiert wurde. Ruchlose Methoden also, die Reard´ hier anwendete, doch das alles war einem PR-Erfolg überaus dienlich, natürlich auch die moralischen Proteste, die im kulturkonservativen Europa sofort entbrannten. Die „Vogue“ignorierte Reards´ stoffarme Couture-Idee völlig, die katholische Kirche Italiens und Spaniens wollte die wenigen Quadratzentimeter Stoff ebenfalls nicht auf ihren Stränden sehen. Auch die USA zeigten sich prüde, wollten nichts mehr wissen von ihrer Mitverantwortung: Im Zweiten Weltkrieg mussten Stoffe rationiert werden, so verordnete die US-Regierung, bei Badeanzügen zehn Prozent Stoff einzusparen, da musste ein Stück Bauch frei bleiben.
In der „Presse“des Jahres 1946 findet sich bedauerlicherweise keine Zeile, wir hätten den Kommentar unserer Gründungsväter gern gelesen. Ganz anders in der Pariser Redaktion der „New York Herald Tribune“, bei der es Anfang Juli 1946 zu einem noch nie dagewesenen Gerangel zwischen den verschiedenen Ressorts kam, wer aus dem Molitor berichten durfte. Die Zeitung dürfte einen weisen Salomon als Chef gehabt haben: Alle Ressorts durften berichten, auch die Außenpolitik, in der man eine Nord-Süd-Zone konstatierte, Erstere mit zwei Enklaven. Auch die anderen Herren kommentierten wortreich, die einzige Dame, die Moderedakteurin, fasste sich kurz: „Wow!“(nachzulesen am 6. Juli 1946). Hatte der publicitygeile Erfinder schon damit gerechnet, als er seine winzigen Stoffteile mit Zeitungsschlagzeilen versah?
Will man den Zivilisationsschub öffentlicher Freizügigkeit studieren, lohnt es sich, die Nackedeimodelle von 1946 aus dem historischen Zeitabstand zu betrachten, nicht wegen des Babyspecks um die Hüften, dem mageren Brustbein und der wuchernden Achselhaare, sondern auch wegen des störrischen Textils, das vor der Erfindung von synthetischen Stoffen im nassen Zustand zwischen den Beinen ordentlich gezwickt und geknittert haben muss. Ursula „Undress“. Die erigierten Finger der Moralisten konnten die Karriere des Bikinis – auch vor dem Hintergrund allgemeiner sexueller Liberalisierung – nicht verhindern. Der endgültige Durchbruch kam 1962, als der makellose Torso einer Muscheltaucherin, die auch noch einen Dolch am Gürtel trug, im elfenbeinfarbenen Bikini aus den Meeresfluten auftauch-