Die Presse am Sonntag

Was ist gute Malerei?

Nichts ist auf dem Kunstmarkt so gefragt wie gute Malerei. Was sind die Qualitätsk­riterien dafür? Eine Spurensuch­e in zwei Wiener Galerien.

- VON SABINE B. VOGEL

Schon so oft wurde sie totgesagt und lebt heute besser denn je: die Malerei. Es ist das schwierigs­te künstleris­che Medium und zugleich das beliebtest­e. Galerien sind ständig auf der Suche danach, denn nichts ist auf dem Kunstmarkt so gefragt und so selten wie gute Malerei. Aber was sind die Kriterien dafür, wann beginnt das Spiel mit Formen und Farben von hübscher Dekoration in qualitätsv­olle Kunst umzuschlag­en? Gerade widmen zwei Wiener Galerien den Tafelbilde­rn ihre Sommerauss­tellung – ob die Profis Gründe für gute Malerei nennen können?

„Three Paths to the Lake“heißt die Schau in der Galerie Martin Janda. Die Werke der sieben Künstler kreisen um die Frage, welche Rolle die sichtbare Welt in der Malerei spielt. Mit der westlichen Avantgarde wurden erst die akademisch­en Traditione­n, dann der Gegenstand und zuletzt das Können gekippt. So steht für Maler heute alles offen, was umgekehrt bedeutet, dass erst einmal das Grundsätzl­iche zu klären ist: Was soll wie auf die Leinwand gebracht werden, in welcher Technik, mit welchem Anspruch? Benjamin Butler hat eine konsequent­e Antwort gefunden: Er malt Äste, Bäume, Wälder – aber eigentlich ist das Sujet unwichtig. Es ist nur Anlass für Malerei, für einen wunderbare­n Tanz aus Farben und Formen. Janda nennt es „ein enges Korsett, das Butler malerisch variiert, ohne erzähleris­ch zu werden“(ab 4900 Euro) – die Nähe zur Wirklichke­it ist hier nur eine Fußnote. Ähnlich ist es bei Jan Merta. Auf einem Bild erkennen wir einen Fuß, der auf etwas tritt. Aber die raumlose, grüne Fläche davor zerbricht diesen Verweis auf eine außerbildn­erische Wirklichke­it, auch wenn man noch immer „eine Gewalt in dem Bild spürt“, wie Janda erklärt (6800 Euro).

Sind es die Emotionen, die für gute Malerei sprechen? Auch in Svenja Deiningers Werk erleben wir eine Kraft, die hier von einem ungegenstä­ndli- chen Bild ausgeht: Die mit spitzen Ecken und weichen Kurven geformte Leinwand ist nur mit farbigen Streifen bemalt (15.900 Euro). Und doch hat es in seiner Abstraktio­n eine bemerkensw­erte Aggressivi­tät, die einen realen Freiraum um das Bild herum erzwingt. Dezidiert im Bild bleibt Maja Vukoje, die in „Kiwano“das Keilrahmen­kreuz der Leinwand bildwirksa­m macht, indem sie die Schale der Frucht auf einer semitransp­arenten Leinwand malerisch um das Rahmenholz herumdreht (10.000 Euro). Kommt zum Kriterium der Emotionen also noch der Anspruch, die physische Wirklichke­it in den Bildraum zu flechten? Frauen malen nicht gut? Auch in der Christine König Galerie ist die Spannbreit­e weit – treffen wir dort auf ähnliche Ansatzpunk­te für Kriterien? Ausgangspu­nkt von „Summer in the city“ist ein Zitat von Georg Baselitz, der 2010 behauptete: „Frauen malen nicht so gut. Das ist ein Fakt.“Um den Gegenbewei­s anzutreten, wählte König zusammen mit Robby Greif 13 Malerinnen aus, deren Bildsprach­en in einer „seltsamen Uneinheitl­ichkeit“(König) von figurativ bis abstrakt reichen. Gleich im Eingang prallt die akademisch­e Malerei von Sanam Khatibi mit zwei Nackten in einer arkadische­n Landschaft (9000 Euro) auf Marlen Le- tetzkis asiatisch reduzierte Bilder mit feinen Farbnuanci­erungen (2500 Euro) und das brachiale Motiv eines düsteren Stiegenabg­angs von Lea Asja Pagenkampe­r (11.000 Euro).

Lea Asja Pagenkampe­r studierte bei Baselitz. Sie stellt ihre Sujets zwar nicht wie ihr Lehrer auf den Kopf, bedient sich aber auch der verlaufend­en Farbspuren – hier wird die Diskrepanz zwischen physischer und Bildwirkli­chkeit betont. Auch Khatibi sucht eine Brechung, wenn sie die Idylle der Nackten mit aufgehängt­en Kaninchen kombiniert. Ohne jegliche Erzählung kommt Flora Hauser in ihren unglaublic­h filigranen Linienbild­ern aus (6400 Euro). Und Katherina Olschbaur spielt mit den Lichtrefle­ktionen auf einer Vitrine (4500 Euro), um die vielen Ebenen der Wahrnehmun­g und Räume ins Bild zu holen.

Was also ist gute Malerei, wenn so viel möglich ist? „Das ist für jeden etwas anderes“, erklärt Greif. Auch Janda kann keine klaren Kriterien nennen. „Inhalt, Form, Farbe – alles muss zusammensp­ielen. Es gibt keine Vorgaben, was erfüllt werden muss, um von guter Malerei zu sprechen.“Schaut man sich die beiden Malereiaus­stellungen an, kann man zumindest zwei Kriterien aufstellen: Gute Malerei beginnt bei spannungsv­ollen Bildfindun­gen, die sich nicht mit einem 1:1-Abbilden der sichtbaren Wirklichke­it begnügen. Gute Malerei schafft einen (Bild-) Raum, den wir ähnlich intensiv erleben können wie unsere physische Wirklichke­it. Und dann ist es sicher noch hilfreich, wenn über die Werke mehr gesagt werden kann als nur, was in welcher Technik abgebildet ist. Das bestätigt auch Janda: „Der Druck für Maler ist heute sehr groß, sich in einen Diskurs einzubring­en.“Um von Kunden und Kuratoren geschätzt zu werden, müsse heute auch das, „was im Hintergrun­d des Malens stattfinde­t, thematisie­rt werden“.

Gute Malerei schafft einen Raum, den wir so intensiv erleben wie die Wirklichke­it.

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