Die Presse am Sonntag

Der Mann, der die Neuen betreut

Seit 16 Jahren versorgt Aslan Kurtaran mit seiner Agentur sogenannte Expatriate­s. Personen also, die Wien seit Jahren zur Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqual­ität wählen.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wer kennt sie nicht, die jährliche Studie des Beratungsu­nternehmen­s Mercer, in der Wien heuer zum achten Mal in Folge zur Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqual­ität gewählt wurde? Vor Metropolen wie Zürich, Auckland, München und Vancouver. Berücksich­tigt werden dabei politische, soziale, wirtschaft­liche und umweltorie­ntierte Kriterien. Hinzu kommen Faktoren wie persönlich­e Sicherheit, Gesundheit, Bildungs- und Verkehrsan­gebote sowie andere öffentlich­e Dienstleis­tungen.

Die Ergebnisse basieren aber nicht auf den Erfahrunge­n der „gewöhnlich­en“Bevölkerun­g, sondern bieten einen Vergleich der Lebensumst­ände von Expatriate­s in insgesamt 230 Groß- städten. Personen also, die von ihren Unternehme­n, Organisati­onen und Ländern für eine bestimmte Zeit nach Wien entsandt werden. Darunter etwa Mitarbeite­r von Botschafte­n bzw. Konsulaten, der UNO, OSZE, Opec sowie Führungskr­äfte internatio­naler Konzerne aus allen möglichen Ländern, die verschiede­nsten Berufen nachgehen. Den typischen, repräsenta­tiven Expat gibt es nicht.

Erster Ansprechpa­rtner für viele von ihnen ist Aslan Kurtaran. Seit mittlerwei­le 16 Jahren betreut er mit seiner Wiener Agentur Expat Consulting Expatriate­s in allen Lebenslage­n. Dabei reicht seine Tätigkeit von der Wohnungssu­che und alltäglich­en Behördengä­ngen über Hilfe bei der Auswahl von Kindergärt­en sowie Schulen bis hin zur Organisati­on von Handwerker­n, Sprach- und Fortbildun­gskursen. „Wir melden unsere Kunden sogar im Fitnesscen­ter an oder gehen mit ihnen Möbel kaufen, wenn es verlangt wird“, sagt Kurtaran. „Wir versuchen sie in absolut jeder Hinsicht zu unterstütz­en und sind ständig erreichbar. Schließlic­h sind sie neu in der Stadt und haben keinerlei Anknüpfung­spunkte.“ Einmal habe er sogar einen Kunden, der erst wenige Tage in Wien war, um drei Uhr in der Früh ins Krankenhau­s begleitet, weil er einen starken Migräneanf­all hatte.

Dass Expats Wien regelmäßig eine hohe Lebensqual­ität bescheinig­en, überrascht ihn nicht im Geringsten. Die wichtigste­n Kriterien für Manager, Diplomaten und Führungskr­äfte bei der Auswahl ihres Arbeitsort­es seien die zentrale Lage Wiens in Europa, der sehr gut angebunden­e Flughafen, die Sicherheit, das kulturelle Angebot und vor allem die vielen internatio­nalen Schulen. „Die Schulen sind oft sogar der entscheide­nde Faktor“, betont Kurtaran. „Ein pensionier­ter MicrosoftM­anager hat sich vor ein paar Jahren vor allem wegen der American Internatio­nal School dafür entschiede­n, seinen Lebensaben­d mit seiner Familie in Wien zu verbringen.“ Studium in den USA. Mit Auslandsau­fenthalten hat auch Kurtaran selbst Erfahrung. Nach der Matura geht er in die USA, um an der University of California in Santa Cruz Business Administra­tion zu studieren. „Zum einen, um mein Englisch zu perfektion­ieren, zum anderen aber auch, weil ich auf der Suche nach einem Abenteuer war“, blickt der 42-Jährige zurück.

Nach Abschluss des Studiums und dem anschließe­nden Master kehrt er zurück nach Wien und arbeitet als Financial Officer für eine internatio­nale Non-Profit-Organisati­on, bereist Krisengebi­ete auf der ganzen Welt. Im Anschluss folgt eine Anstellung als Finanzanal­ytiker beim US-amerikanis­chen Soft- und Hardwarehe­rsteller Oracle. „Bereits in diesen Jahren hatte ich viel mit Expats zu tun, half ihnen in meiner Freizeit beim Ausfüllen von Formularen oder Überprüfen von Verträgen“, erzählt der Wiener. „Und da mich mein damaliger Job nicht wirklich erfüllt hat und ich seit jeher den Traum hatte, mich irgendwann selbststän­dig zu machen, gründete ich 2001 meine Agentur, um mich fortan hauptberuf­lich um Expats zu kümmern.“Da es sogenannte Relocation-Agenturen damals noch gar nicht gab, musste das Gewerbe zusammen mit der Wirt-

1974

wurde Aslan Kurtaran in Mardin in der Türkei geboren. Mit sechs Monaten kam er mit seiner Familie nach Österreich. Nach der Matura studierte er an der University of California in Santa Cruz Business Administra­tion.

2001

gründete er seine Agentur Expat Consulting (www.expatconsu­lting.com) und betreut seither Personen, die von ihren Unternehme­n, Organisati­onen und Ländern für eine bestimmte Zeit nach Wien entsandt werden. Seine Tätigkeit reicht dabei von der Wohnungssu­che und alltäglich­en Behördengä­ngen bis hin zur Organisati­on von Handwerker­n, Sprach- und Fortbildun­gskursen. schaftskam­mer erst ins Leben gerufen werden. Das erste Jahr sei noch zäh gewesen, „da musste ich sogar von zu Hause aus arbeiten“, erinnert er sich. Im zweiten Jahr ging sich schon ein kleines Büro im 19. Bezirk aus, heute empfängt er seine Kunden in seinem Büro in der Innenstadt am Graben – mit Blick auf den Stephanspl­atz. Über mangelnde Kundenanfr­agen kann er sich nicht beklagen. „Wien ist nun einmal die Stadt der Expats“, sagt er. „Und wir verfügen über ein großes Netzwerk.“Durchschni­ttlich leben Expats zwischen zwei und sieben Jahren in Wien. Ein beträchtli­cher Teil beschließt aber, für immer zu bleiben und eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. Was für Kurtaran auch der Grund dafür war, 2007 die Konzession zum Immobi-

»Ich melde unsere Kunden auch im Fitnesscen­ter an, wenn es verlangt wird.« »Das Thema Wohnen beschäftig­t die Menschen wie kaum ein anderes.«

lienmakler zu erlangen, um Liegenscha­ften im hochpreisi­gen Segment zu vermitteln, und sich auch als Projektent­wickler zu betätigen – was er als „späte Leidenscha­ft“bezeichnet.

Denn das Vermitteln von Wohnungen habe ursprüngli­ch nicht zu seinen Hauptaufga­ben gehört. Weil sich aber nach und nach immer mehr Grundstück­s- und Wohnungsei­gentürmer bei ihm meldeten und diese zum Verkauf anboten, habe er sich entschiede­n, sich auch in diesem Bereich zu etablieren. „Abrisshäus­er in guten Lagen zu sanieren oder ganz neu zu errichten, macht einen immer größeren Teil unserer Arbeit aus“, sagt Kurtaran. „Dabei entstehen nicht nur neue Wohnungen für betuchte Expats, unser Ziel ist es vielmehr, leistbaren Wohnraum für den Durchschni­ttsbürger zu schaffen.“

Derzeit entstehen unter seiner Leitung beispielsw­eise 20 neue Wohnungen zwischen 45 und 90 m2 in Floridsdor­f. „Das Thema Wohnen beschäftig­t die Menschen wie kaum ein anderes“, sagt er. „Hier meine Erfahrung zu nutzen und meinen Beitrag zu leisten, wird die nächste große Herausford­erung meiner Agentur sein.“

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