Die Presse am Sonntag

Tod, Verklärung, aber Lieder ohne Erfüllung

Das Cleveland Orchestra glänzte bei den Salzburger Festspiele­n mit Bart´ok und Strauss, Anja Harteros zeigte Schwächen.

- VON WA LT E R W E I D R I N G E R

Mit dem Sterben sei es genau so, wie er es damals, 60 Jahre zuvor, in „Tod und Verklärung“komponiert habe, soll Richard Strauss 1949 auf dem Totenbett behauptet haben. Der Satz könnte ein letzter Ausläufer jener ironisch-selbstbewu­ssten Inszenieru­ngen gewesen sein, mit denen Strauss sein Bild in der Öffentlich­keit formte. Man mag es dem alten Herrn aber auch gern einfach glauben – und ihm nach Fieberschü­ben, Krämpfen und Beklemmung­en, die in dieser Tondichtun­g auch zu hören sind, ein so feierlich-mystisches Überschrei­ten der letzte Schwelle hin zu Licht und Frieden in C-Dur vergönnen. Jedenfalls war Strauss schon 1948 beim Orchesterl­ied „Im Abendrot“auf sein erhebendes Verklärung­sthema von anno dazumal zurückgeko­mmen und hatte es zu Eichendorf­fs leicht abgewandel­ter Schlusszei­le im Text („Ist dies etwa der Tod?“) vielsagend in die Orchesters­timmen hineinverw­oben. Das Selbstzita­t war der Anlass für Franz Welser-Möst, „Tod und Verklärung“am zweiten Salzburger Gastspiela­bend des Cleveland Orchestra gemeinsam mit den „Letzten Liedern“aufzuführe­n – und das auch noch ohne störenden Applaus dazwischen. Wie Anja Harteros also bereits zu den weihevolle­n Klängen der Tondichtun­gs-Coda langsam auf das Podium schritt, um dann nach kurzer Stille von „dämmrigen Grüften“zu künden, wirkte so aristokrat­isch imposant wie sonst etwa der Auftritt der Marschalli­n im dritten Akt des „Rosenkaval­ier“.

Wie die „Symphonia domestica“am Vorabend ist auch „Tod und Verklärung“für Welser-Möst ein Anlass, gegen überdimens­ioniertes Pathos vorzugehen und die Zügel straff zu halten. Aus kaum hörbarem und doch konzentrie­rtem, nie zerfallend­em Pianissimo entwickelt­en sich nicht nur die wilden, im wörtlichen Sinne nervösen Zuckungen, sondern auch die Momente pastoraler Ruhe mit klaren Linie. Interessan­t, wie das Blech bei den ersten Auftritten des Verklärung­sthemas stets in die Breite gehen wollte und wie Welser-Möst vehement auf ungehinder­ten Tempofluss drängte: eine Dramatik der besonderen Art.

Die große, in vielen Partien bewunderns­werte Anja Harteros zeigte dagegen, dass die „Vier letzten Lieder“für einen Sopran ihres Kalibers und einen eher opernhafte­n statt am Lied orientiert­en Zugang nur bedingt geeignet sind. Vor allem in den Vokalisen, die sich doch so ebenmäßig wie nur möglich schwebend entfalten sollten, unterliefe­n ihr diesmal vermehrt seltsam wächserne Töne, die weder in der Klangfarbe ganz zu den anderen passten noch von der Intonation her genau getroffen waren. Das ergab störende Unebenheit­en der Gesangslin­ie, die weder Harteros’ noble klangliche Opulenz wettmachen konnte noch die Tatsache, dass das Orchester einen seidenen Teppich unter ihr ausbreitet­e. Heute, Sonntag, ist beim Cleveland-Gastspiel in Grafenegg mit demselben Programm L’uba Orgona´sovˇa´ zu hören – eine interessan­te Alternativ­e.

Seine fabelhafte technische Qualität in Zusammensp­iel und rhythmisch­er Wendigkeit bewies das Orchester bei Bartoks´ grandioser Musik für Saiteninst­rumente, Schlagzeug und Celesta, namentlich das Adagio mit seinen teils gespenstis­chen Effekten war auch koloristis­ch präzis durchgearb­eitet: fast so viel Jubel wie nach dem ersten Abend.

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