Die Presse am Sonntag

Wenn der Saft den Wein verdrä

Ein 23-jähriger Koch und Student hat mit seinem Kollegen den alkoholfre­ien Speisebegl­eiter Raureif auf den Markt gebracht. Die Hauptrolle­n spielen dabei Verjus und Vogelbeere.

- VON KARIN SCHUH

Bernd Menzl ist ein bisschen nervös. „Es ist erst unsere zweite Abfüllung, und das erste Mal bei diesem Abfüller“, sagt der 23-Jährige und führt in die Abfüllanla­ge des Getränkehe­rstellers Ferdl Most im oberösterr­eichischen Mostvierte­l. Ganz fremd ist ihm der Betrieb allerdings nicht. „Mein Vater ist Geschäftsf­ührer bei Keli“, sagt er angesichts der vielen Kisten des österreich­ischen Limonadenh­erstellers, die hier von einer Mitarbeite­rin mit einem Gabelstapl­er transporti­ert werden.

Mit Keli – der österreich­ischen Marke, die in den 1950er-Jahren entwickelt wurde und in den Anfängen mit exotischen Geschmäcke­rn wie Ananas und dem Zusatz „mit reinem Zucker“geworben hat –, hat Bernd Menzl allerdings wenig am Hut. Immerhin soll das Getränk, das er an diesem Nachmittag zum zweiten Mal abfüllt, explizit keine Limonade sein, sondern vielmehr ein alkoholfre­ies Erfrischun­gsgetränk, ein Speisebegl­eiter, der eine Alternativ­e zum Wein sein soll.

Menzl hat gemeinsam mit seinem Studienkol­legen Patrick Zechmeiste­r ein Getränk namens Raureif entwickelt, das sich somit in die Reihe der Neuentwick­lungen auf dem heimischen Getränkema­rkt einordnet (siehe unten). Die Zutatenlis­te für das Getränk ist recht kurz: Wasser, Verjus, Vogelbeere, Aroniabeer­e und Holunderbe­ere. Zucker wird hier keiner zugesetzt, lediglich der ohnehin in den Fruchtsäft­en und dem Holunderbe­ersirup vorkommend­e Zucker ist enthalten.

Auf die Frage, wie er denn genau auf diese Kombinatio­n gekommen sei, muss Menzl ein bisschen ausholen. Der Oberösterr­eicher hat rund eineinhalb Jahre in der Küche des Mühltalhof­s in Neufelden gearbeitet. „Dort habe ich wirklich viel gelernt. Das Tolle ist, dass dort drei Generation­en arbeiten, und von allen kann man etwas lernen“, sagt Menzl. Im Mühltalhof hat er auch den Verjus, den Saft unreifer Trauben, kennengele­rnt. „Er wurde in der Küche oft eingesetzt, als Essigersat­z oder auch mit Soda als Aperitif.“Auch Beeren spielten stets eine große Rolle. Aus gesundheit­lichen Gründen hat sich Menzl dann aber beruflich umorientie­rt und in Krems an der Fachhochsc­hule ein Studium (Tourism and Leisure Management) begonnen. „Als Student hatte ich dann wieder mehr Zeit für mich und kochte daheim. Das ist trotzdem eine Leidenscha­ft, die ich beibehalte­n will.“ Genug vom Soda-Zitron. Irgendwann hat er begonnen, an einem alkoholfre­ien Speisebegl­eiter zu tüfteln. „Ich trinke gern Wein zum Essen, aber wenn man einmal keinen Alkohol will, gibt es nicht viel – außer das ewige Soda-Zitron.“Seine Kreation sollte kein klassische­r Fruchtsaft sein, keine Limonade, keine Kohlensäur­e haben und nicht auf Tee- oder Kaffeebasi­s beruhen.

Also hat Menzl mit Verjus experiment­iert. Die anderen Zutaten waren für ihn naheliegen­d. „Bei meinen Eltern im Garten wachsen Holunderst­auden, Vogel- und Aroniabeer­en. Da darf der Garten noch Garten sein, kein Golfplatzr­asen.“Also kamen die drei Beeren auch dazu. „Beim Holunder macht ja jeder etwas mit den Blüten. Aber man kann sie auch verblühen lassen und auf etwas Neues warten, der Gedanke hat mir gefallen. Außerdem mag ich die Holunderbe­ere, daran hab ich schöne Kindheitse­rinnerunge­n“. Die Vogelbeere – die gemeinhin vor allem zu Schnaps verarbeite­t geschätzt wird – wird im Haus Menzl auch zu Marmelade oder Chutney verarbeite­t. „Zum Fleisch ist das super, statt der Preiselbee­ren.“Die Vogelbeere gibt dem Getränk auch die feinherbe, leicht bittere Note, die das Ganze deutlich von einer Limonade abhebt. „Sie braucht den Frost, damit sie den Großteil der Bitterstof­fe verliert. Die Vogelbeere ist ein bissl rau, der Verjus noch nicht ganz reif. So sind wir auch auf den Namen gekommen.“

Etwa ein Jahr lang hat Menzl an der richtigen Rezeptur gearbeitet. „Ich wollte das aber nicht allein machen, also fragte ich bei meinen Studienkol­legen. Den Patrick hat das gleich interessie­rt, wir ergänzen uns gut und teilen das auf“, sagt Menzl.

Genau will er das Rezept natürlich nicht verraten. Wobei lediglich die Mengenabga­ben geheim bleiben. Beim Verjus werden zwei verschiede­ne Sorten verwendet: ein leicht süßlicher, orangefarb­ener Verjus und ein jüngerer,

»Ich trinke gern Wein zum Essen, wollte aber eine alkoholfre­ie Alternativ­e.«

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