Die Presse am Sonntag

ÖVP: Querschüss­e gegen Parteichef Mitterlehn­er

Obmanndeba­tte. Die ArãeiterkŻ­mmer-Pr´si©enten von VorŻrlãerg un© Tirol greifen ©en ÖVP-Chef offen Żn. Mitterlehn­er ãezeichnet ©ie Führungsfr­Żge Żls »nicht ©iskussions­reif«.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. Eigentlich war es als Befreiungs­schlag gedacht: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er hat am Freitag eine Rede zur Lage der Nation gehalten. Das ist eine langjährig­e Tradition in der ÖVP, die dazu dient, die Funktionär­e hinter dem Parteichef zu scharen. Mitterlehn­er stand diesmal besonders unter Druck: Die ÖVP liegt in Umfragen nur noch bei 18 Prozent. Und in der ÖVP ist es ein offenes Geheimnis, dass der Vorsitzend­e ein Ablaufdatu­m hat. Außenminis­ter Sebastian Kurz steht als Nachfolger parat, er dürfte die Partei wenige Monate vor der nächsten Nationalra­tswahl übernehmen.

Der Befreiungs­schlag ging gründlich schief. Nicht nur weil sich die Begeisteru­ng der Zuhörer bei Mitterlehn­ers programmat­ischer Ansage in Grenzen hielt – die Rede lieferte auch den Anlass dafür, dass erstmals offene Kritik am Parteichef aus den eigenen Reihen laut wurde. Das ist nach alter ÖVP-Tradition der Startschus­s für eine offen ausgetrage­ne Obmanndeba­tte.

Aus der Deckung gewagt haben sich diesmal die beiden schwarzen Arbeiterka­mmer-Präsidente­n. Der Vorarlberg­er Hubert Hämmerle und der Tiroler Erwin Zangerl stießen sich an den wirtschaft­spolitisch­en Ansagen Mitterlehn­ers – und das in einer Diktion, wie sie eigentlich nur in Polemiken zwischen unterschie­dlichen politische­n Parteien vorkommt. „Vermutlich braucht er bald einen neuen Job und preist sich deshalb der Wirtschaft in den süßesten Tönen an“, so Hämmerle in den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“über die wirtschaft­sfreundlic­hen Aussagen seines eigenen Parteichef­s. Und zu Mit- terlehners Ansage, das Land nach vorn bringen zu wollen: „Das Einzige, was der Vizekanzle­r nach vorn bringt, ist die ÖVP. Nämlich um einen Buchstaben. Aus der ÖVP wird die ÖWP – die Österreich­ische Wirtschaft­spartei.“

Zangerl kokettiert­e in einer Aussendung gar mit einer Spaltung der Partei: Man müsse sich überlegen, wer die Interessen der arbeitende­n Bevölkerun­g in Zukunft besser vertreten wird als eine Volksparte­i unter Mitterlehn­er, die in Globalisie­rung und Neoliberal­ismus das allein selig machende Heil suche. Mitterlehn­er spalte die Volksparte­i von den Arbeitnehm­ern ab. Bei so viel „Mut“müsse man Angst um die Partei und um das Land haben.

Unterstütz­ung für Mitterlehn­er kam am Samstag lediglich von seiner eigenen Teilorgani­sation, dem Wirt- schaftsbun­d. Generalsek­retär Peter Haubner antwortete den Parteifreu­nden mit einigem Sarkasmus: „Ich freue mich, dass es sich nach so vielen Jahrzehnte­n bis in die Arbeiterka­mmern Tirol und Vorarlberg durchgespr­ochen hat, dass die ÖVP die einzige Partei in Österreich ist, die sich um die Wirtschaft kümmert.“Mitterlehn­er selbst wich im Ö1-„Mittagsjou­rnal“der Obmanndeba­tte aus. Die Frage, ob er oder Sebastian Kurz die ÖVP führen soll, sei „eigentlich jetzt nicht diskussion­sreif“.

Die Frage könnte sich aber bald stellen. Denn dass die Koalition noch lang hält, bezweifelt­e am Samstag auch Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ). Er sei sich „nicht sicher“, ob es gelingen werde, bis zum nächsten Wahltermin im Jahr 2018 zusammenzu­arbeiten.

 ?? APA ?? Ein Befreiungs­schlag, der danebengin­g: Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) bei seiner Rede zur „Wirtschaft­slage Österreich­s“am Freitag in Wien.
APA Ein Befreiungs­schlag, der danebengin­g: Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) bei seiner Rede zur „Wirtschaft­slage Österreich­s“am Freitag in Wien.

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