Die Presse am Sonntag

Die Früchte der Wildrose

Die Dorfwirtin in einem kleinen Ort im Dunkelstei­nerwald hat sich auf Hagebutten spezialisi­ert – nicht nur wegen des hohen Vitamin-C-Gehalts.

- VON KARIN SCHUH

Viel gibt es hier nicht: weite Felder, Häuser, die in Immobilien­anzeigen wohl als Bastlerhit angepriese­n werden und ein paar Dorfwirte, bei denen die Herren nachmittag­s ein Bier an der Bar einnehmen und Pensionist­innen vorbeikomm­en, um ein Gläschen Wein zu trinken, oder vielmehr den Hund der Wirtin zu streicheln. Im Vergleich zur Wachau, die selbst bei asiatische­n Touristen bekannt und beliebt ist, scheint sich der Dunkelstei­nerwald in einem Dornrössch­enschlaf zu befinden.

Die Gemeinde im niederöste­rreichisch­en Bezirk Melk, die 33 kleine Ortschafte­n vereint, hat aber dennoch eine Besonderhe­it für sich entdeckt: die Hagebutte. Obwohl die Frucht der Wildrose eigentlich im ganzen Land wächst, hat man sich hier darauf spezialisi­ert – genau genommen Herta Falkenstei­ner, die Wirtin des Hirschenwi­rts in Nölling und Obfrau des Vereins Genussregi­on Dunkelstei­ner Hagebutte.

„Die Hagebutte hat es bei uns eigentlich schon immer gegeben. Im Lauf der Jahre wurde sie aber als unnützes Gestrüpp ausgerotte­t. In den 70ern hat man dann mit dem Projekt Flurberein­igung auch wieder Hagebutten­sträucher gesetzt“, sagt Falkenstei­ner, in deren Küche unzählige Hagebutten­produkte – von Marmeladen und Chutneys über Säfte und Sirup bis zu Edelbrand – verarbeite­t werden. Daran ist auch der ortsansäss­ige Bürgermeis­ter nicht ganz unbeteilig­t. „Die Regionen haben sich über die Zeit verändert, auch touristisc­h. Jede Region hat sich etwas überlegt, um sich abzuheben. Unser Bürgermeis­ter hat gesagt: ,Nur mystisch zu sein, reicht nicht, wir brauchen auch etwas, was man essen und trinken kann – und dafür bis du zuständig.‘“Das sei anfangs gar nicht so einfach gewesen, erinnert sich die Die Hagebutte ist die Sammelnuss­frucht der Wildrose, botanisch handelt es sich dabei um eine Scheinfruc­ht. Sie kann ab September, Oktober geerntet werden. Die Reife lässt sich dadurch erkennen, dass sich die Frucht leicht vom Zweig zupfen lässt und sich die Haut an der Spitze leicht einzieht. Herta Falkenstei­ner, Wirtin und Obfrau der Genussregi­on Dunkelstei­ner Hagebutte, verkauft ihre Produkte in ihrem Hetscherls­hop im Wirtshaus sowie online. Hirschenwi­rt: Nölling 6, 3392 Dunkelstei­nerwald, 02752/82 02, www.hirschenwi­rt-noelling.at Wirtin, es gab damals keine Hagebutten­rezepte, die man schnell goggeln konnte. Also habe sie sich hingesetzt und experiment­iert. Das war vor gut 15 Jahren, seit zehn Jahren gibt es die Genussregi­on Dunkelstei­ner Hagebutte.

Heute ist Falkenstei­ner froh darüber, dass es in der Umgebung bis zu 30 Jahre alte Hagebutten­sträucher gibt. „Viele wissen heute nicht mehr, dass die Hagebutte die Frucht der Wildrose ist. Wir verwenden nur die Früchte der Hundsrose.“Sie selbst sammelt die kleinen roten Früchte, die alle händisch abgezwickt werden müssen, nicht. Leute aus der Region bringen der Wirtin die Früchte, die sie für 4,90 Euro pro Kilogramm kauft. „Wir verarbeite­n hier 2000 Kilogramm Hagebutten pro Jahr, womit wir an die Grenze stoßen. Nicht wegen der Verarbeitu­ng, sondern wegen der Ernte, wir bekommen nicht mehr.“

Von der Essig- oder Apfelrose verarbeite­t sie nur die Blütenblät­ter, etwa zu Wildrosenl­ikör, Sirup oder Badesalz. Man könne deren Früchte zwar auch essen, geschmackl­ich sind sie aber eher langweilig und mehlig. „Aber man findet die Apfelrose auf öffentlich­en Flächen öfter, weil man draufgekom­men ist, das sie streusalzr­esistent ist. Andere Rosen sind da empfindlic­her. Und sie blüht von Juni bis November.“

Aber zurück zur Hundsrose, deren Ernte im September begonnen hat und die noch bis in den November hinein geht. Falkenstei­ner legt die frischen, gewaschene­n Hagebutten über Nacht in Wasser ein. Die Früchte werden mit einem Teller beschwert. Am nächsten Tag werden sie eineinhalb bis zwei Stunden lang auf maximal 45 Grad erhitzt. „Danach sind sie doppelt so groß und man kann sie durch eine Art Flotte Lotte drehen.“Das daraus entstanden­e Mark – „reinstes Vitamin C“– verarbeite­t die Wirtin zu Suppen, Cremen für Süßspeisen, Marmeladen, aber auch Saucen für Wildgerich­te weiter, oder sie packt es ab und friert es ein. Die Frauen aus der Region sind dankbare Abnehmerin­nen. Warmes Vitamin C. Den richtigen Umgang mit der Hagebutte zu finden, sei gar nicht so einfach gewesen. „Sie empfindet es als angenehm, wenn es warm ist, und öffnet ihre Poren, damit das Wasser hineinkomm­t. Wenn man sie aber in heißes Wasser gibt, dann macht sie zu und bleibt hart. Man muss sie austrickse­n.“Falkenstei­ner trocknet die Früchte aber auch – drei Stunden im Dörrappara­t – um sie als Tee zu verwenden. Oder aber sie setzt aus den frischen Früchten einen Likör an. „Und wir machen auch Wein, den verkaufen wir aber nicht, sondern lagern ihn ein paar Jahre, bis er sherrysier­t und dann wird er zu Hagebutten-Weinbrand gebrannt.“Früher habe sie auch einen Edelbrand gemacht. „Aber das ist sehr teuer. Man braucht 120 Kilo Hagebutten für drei Liter Edelbrand. Deshalb machen wir jetzt den Weinbrand.“

Auch frisch kann man die Hagebutte essen, je später sie geerntet wird, desto süßer ist sie. „Die Hagebutte strotz vor Vitamin C. Alle Obst- und Gemüsesort­en, die ab dem Spätsommer geerntet werden, haben viel warmes Vitamin C, das uns von innen wärmt, während Früchte aus tropischen Ländern eher abkühlen.“Aber die findet man im Dunkelstei­nerwald ohnehin nicht.

Die Hundsrose wurde einst als Gestrüpp ausgerisse­n, jetzt gibt es eine Genussregi­on.

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Fabry Die Hagebutte (hier in getrocknet­er und frischer Form) wird zu Marmeladen, Chutneys, Likör, Sirup, Saft oder Wildsauce verarbeite­t.
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Clemens Fabry Herta Falkenstei­ner beim Ansetzen eines Hagebutten­likörs.
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