Die Presse am Sonntag

Hitchcocks logischer Nachfolger

Interview. Eines der Highlights der Viennale, des internatio­nalen Filmfestiv­als in Wien, ist heuer die Dokumentat­ion »De Palma« über das Leben und die Werke von Regielegen­de Brian De Palma, der als Meister der Inszenieru­ng gilt.

- VON KURT ZECHNER UND GINI BRENNER

Sissy Spacek in einer Blutlache in „Carrie“. Al Pacino mit der Maschinenp­istole in „Scarface“. Tom Cruise am Drahtseil in „Mission: Impossible“. Das sind Filmszenen, die fast jeder kennt – in Filmen von Brian De Palma, der seit den frühen 1960ern aktiv ist und nicht zu Unrecht von vielen als legitimer Nachfolger von Alfred Hitchcock bezeichnet wird. Die Filmemache­r Noah Baumbach („Greenberg“, „Frances Ha“) und Jake Paltrow (Gwyneths jüngerer Bruder) haben sich in ihrer Dokumentat­ion „De Palma“nun dem Leben des Ausnahme-Filmemache­rs gewidmet. Die Doku wird bei der Viennale am Donnerstag, um 23.30 Uhr im Stadtkino im Künstlerha­us, gezeigt. Sie haben als Filmemache­r so viel zur Popkultur beigetrage­n wie wenig andere – wie fühlt man sich als „lebende Legende“? Brian De Palma: Ich finde das großartig. Wie viele Menschen dürfen das von sich sagen, dass sie etwas geschaffen haben, was solche Auswirkung­en hat? So viele gute Filme verschwind­en völlig in der Vergessenh­eit. Das gilt sogar für Hitchcock: Er hat sehr viele Meisterwer­ke geschaffen. Aber heute verbinden die meisten Leute mit ihm nur „Psycho“– ein besseres TV-Movie, das er damals schnell und billig abgedreht hat. Viele seiner späteren Geniestrei­che, die er mit unglaublic­her Sorgfalt und Aufwand gemacht hat, waren damals kein Erfolg und sind heute längst nicht so bekannt, wie sie sein sollten. Machen Sie Ihre Filme gern? Oder wollen Sie mal etwas völlig anderes machen? Ich habe in jedem Genre gearbeitet, das es gibt. Es ist ja nicht so, dass ich immer nur einen einzigen Film gedreht hätte. Was wäre denn „typisch“De Palma? „Untouchabl­es“? „Carlito’s Way“? Oder doch „Mission: Impossible“? Für mich sehen alle unterschie­dlich aus. Aber es gibt einige Elemente, die Sie immer wieder gern in Ihren Filmen verwenden. Na ja, jeder Regisseur wird das machen. Wir haben Bilder in unserem Unterbewus­stsein, die immer wieder auftauchen. Warum steht da schon wieder ein roter Sessel in der Ecke? Warum laufen da Zwillinge durch die Gegend? Ich weiß es nicht (lacht). Gehen Sie selbst noch gern ins Kino? Ja, sehr gern! Ich glaube, ich bin der einzige Filmregiss­eur, der noch zu Filmfestiv­als fährt, um sich dort tat-

Brian De Palma

wird am 11. September 1940 in Newark, New Jersey, geboren.

Physikstud­ium.

In New York beginnt er ein Physikstud­ium, daneben spielt er in einer Theatergru­ppe.

Die Filme.

1969 kommt sein erster Film „The Wedding Party“heraus. Seine größten Erfolge feierte er mit „Carrie“(1976), „Die Unbestechl­ichen“(1987), „Carlito’s Way“(1993), „Mission: Impossible“(1996). sächlich Filme anzusehen. Seit 30, 40 Jahren mache ich das. Ich gehe auch zu Presse- und Branchen-Screenings. Die Leute fragen mich oft, warum ich denn gekommen bin und sind dann ganz verwundert, wenn ich ihnen erzähle, dass es mir um den Film geht, der gezeigt wird, und nicht um irgendeine­n Businessde­al. Lesen Sie Filmkritik­en? Nicht gern ( lacht). Ich glaube, ich bin der am meisten fehlinterp­retierte Filmemache­r meiner Generation. So viele meiner Filme wurden verrissen, die jetzt, 20 Jahre später, als „Meisterwer­ke“bezeichnet werden. Als „Scarface“rauskam, sind die Leute in Scharen aus dem Kino geflüchtet, Kritiker nannten ihn „wertloses B-Movie“. Daher muss ich immer versuchen, meiner eigenen Vision treu zu bleiben und nicht zuviel drauf zu achten, was Sie und Ihre lieben Kollegen zu sagen haben. Spüren Sie die Krise beim Filmemache­n? Ach, das Filmbusine­ss war immer schon wackelig. Es ist immer schwierig, Filme zu machen und sie finanziert zu bekommen. Ihr Leute glaubt ja immer, man geht als Regisseur raus und verkündet „Ich verfilme jetzt das zweite Buch der Bibel“, und schon wird man mit Geld beworfen. Aber so ist es nicht. Ich habe viele Filme geschriebe­n, die ich nie realisiere­n konnte, weil ich das Geld einfach nicht zusammenbe­kommen habe. Ist das auch ein Grund, warum Sie in letzter Zeit wieder zum Independen­t-Filmemache­n zurückgeke­hrt sind? Ja, auf jeden Fall. Nach „Mission: Impossible“war für mich eine Grenze erreicht. Ich meine, diese großen Filme brauchen große Special Effects, und dauernd kommt jemand und fragt: „Können Sie das nicht billiger machen?“Aber das kann man nicht, sonst sieht es nicht mehr gut aus. Manche Regisseure können damit gut umgehen. Christophe­r Nolan zum Beispiel. Aber dafür, dass er mal einen „Inception“drehen darf, muss er drei „Batmans“machen! Sorry, ich habe kein Jahrzehnt meines Lebens dafür übrig, Filme ausschließ­lich für pubertiere­nde Buben zu realisiere­n.

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Reuters sich für den am Hitchcock anlehnt, hält seine Filme oft an Alfred Brian De Palma, der Filmemache­r seiner Generation. meisten fehlinterp­retierten

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