Die Presse am Sonntag

Die Nacht des Georg Baselitz

Das Auktionsha­us Sotheby’s ortet in den letzten Jahren steigendes Interesse an deutscher Nachkriegs­kunst und verstärkt das Angebot. Das Toplos der Abendaukti­on im März in London ist ein Werk von Georg Baselitz.

- VON EVA KOMAREK

Das Werk „Mit Roter Fahne“des deutschen Künstlers Georg Baselitz könnte am 8. März bei der Abendaukti­on für zeitgenöss­ische Kunst in London einen neuen Rekordprei­s erzielen. Zumindest bewirbt das Auktionsha­us Sotheby’s diese Arbeit genau so in seiner Aussendung. Der Schätzwert liegt bei 6,5 bis 8,5 Millionen Pfund (8,1 bis 10,65 Millionen Dollar) und damit schon über dem aktuellen Rekord aus dem Jahr 2014 von 7,45 Millionen Dollar, erzielt von Christie’s für „Der Brückencho­r“. Vorab Rekordankü­ndigungen sind aus Marketings­icht ein gewagtes Spiel. Einerseits steigert es die Aufmerksam­keit enorm, anderersei­ts ist es schlecht für den Ruf, wenn der Rekord letztlich nicht geknackt wird.

Sotheby’s ist sich seiner Sache also schon sehr sicher. Das hat mehrere Gründe: Die Arbeit aus dem Jahr 1965 gehört laut Sotheby’s zur großformat­igen Werkgruppe der „Helden“, die als Schlüsselw­erk gilt und Baselitz’ Ruf als einer der überzeugen­dsten künstleris­chen Stimmen der Nachkriegs­zeit festigte. Zudem war „Mit Roter Fahne“in vielen Ausstellun­gen zu sehen, darunter auch in der wegweisend­en Retrospekt­ive in der Royal Academy of Arts 2007 in London. Die Royal Academy widmete Baselitz übrigens 2014 mit „Renaissanc­e Impression­s“eine weitere wichtige Ausstellun­g. In dem Jahr zeigte auch das British Museum die Ausstellun­g „Germany divided: Baselitz and his generation“und Galeristen­schwergewi­cht Gagosian widmete dem Künstler unter dem Titel „Farewell Bill“ebenfalls eine Schau. Neben der verstärkte­n Museumsprä­senz wirkt sich auch eine global aufgestell­te Galerie wie Gagosian positiv auf die Preisentwi­cklung aus. In Europa wird Baselitz von der Galerie Thaddaeus Ropac vertreten, ebenfalls ein Galerist mit internatio­nalem Gewicht. So überrascht es auch nicht, dass der höchste bisher bei einer Auktion erzielte Preis für Baselitz aus dem Jahr 2014 stammt.

Doch muss man die Entwicklun­gen von Baselitz auch im Kontext des generellen Aufschwung­s für deutsche Nachkriegs­kunst sehen. Bisher dominierte­n britische und amerikanis­che Künstler der Moderne und Gegenwarts­kunst die oberste Preisliga. Jetzt holen die Deutschen massiv auf. Laut Sotheby’s ist die Zahl an Bietern für zeitgenöss­ische Kunst aus Deutschlan­d in den letzten fünf Jahren um 31 Prozent gestiegen und schon im Vorjahr waren bei der Londoner Abendaukti­on für Gegenwarts­kunst 20 Prozent der Lose von deutschen Künstlern. Bei der kommenden Auktion werden es 27 Prozent sein. Dabei ist nicht nur die Nachfrage gestiegen, sondern parallel dazu stiegen auch die Preise. So wurden laut Sotheby’s in den letzten Jahren für zehn Künstler neue Rekorde erzielt: Dazu zählen neben Baselitz Wolfgang Tilmans, Gerhard Richter, Albert Oehlen, Thomas Schütte, Martin Kippenberg­er, Günther Uecker, Sigmar Polke, Michael Krebber, Günther Förg. Richter an der Spitze. Auf Auktionen erzielt Gerhard Richter die höchsten Preise. Er führt auch die Liste der teuersten lebenden europäisch­en Künstler an. Sein aktueller Rekordprei­s liegt bei 30,4 Millionen Pfund erzielt 2015 für „Abstraktes Bild“bei Sotheby’s in London. Preise für den Künstler pushen nicht zuletzt wichtige Händler wie David Zwirner, Michael Werner, Monika Sprüth und Marian Goodman. Letztere eröffnete ihre neue LondonNied­erlassung 2014 sogar mit einer Richter-Schau. Derzeit zeigt das Museum Ludwig in Köln anlässlich des 85. Geburtstag­s des Künstlers eine Ausstellun­g mit neuen abstrakten Bildern, die alle 2016 entstanden sind.

Bei der kommenden Auktion in London ist Baselitz mit dem Werk „Eisberg“vertreten. Es ist eines von nur drei Bildern, die der Künstler nach Fotos von seiner Grönlandre­ise 1972 malte. Entstanden sind sie allerdings erst zehn Jahre später. Das Bild stammt aus einer europäisch­en Privatsamm­lung. Der Schätzprei­s beträgt acht bis zwölf Millionen Pfund.

Neben Baselitz und Richter zählen zu den weiteren Höhepunkte­n der Auktion Anselm Kiefer, Sigmar Polke und Wolfgang Tillmans. Sein „Freischwim­mer 119“hat eine Taxe von 80.000 bis 120.000 Pfund. Tillmans bekam 2000 nicht nur als erster Ausländer den renommiert­en Turner Price sondern auch als erster Künstler, der mit Fotografie arbeitet. Seit 2013 entwickeln sich seine Preise sprunghaft nach oben. Zusätzlich­e Schubkraft könnte die Ausstellun­g in der Tate Modern bringen, die diese Woche eröffnete.

Ausstellun­gen in wichtigen Museen haben zum Aufschwung beigetrage­n.

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Julian Cassady Photograph­y Kostbar: „Mit Roter Fahne“von Georg Baselitz.

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