Die Presse am Sonntag

Ein Sonderling ermittelt im Elite-Club

Es sind Geschichte­n über Boxen, Männerbünd­e und ihre bizarren Initiation­srituale an der Universitä­t Cambridge, die Takis Würger in seinem ersten Roman »Der Club« erzählt.

- VON ERICH KOCINA

Männerbünd­e an Eliteunive­rsitäten, diskrete Clubs und ihre Rituale. Da verbirgt sich viel Potenzial für dunkle Fantasien und Verschwöru­ngstheorie­n. Dabei muss es gar nicht immer das verborgene Streben nach einer neuen Weltordnun­g sein. Vieles, was sich hinter den Mauern eines der elitären Clubs in Cambridge & Co. abspielt, ist auf einer viel primitiver­en Ebene angesiedel­t. Was genau, das sollte Hans Stichler herausfind­en. Alex, die Halbschwes­ter seiner Mutter, bittet ihn genau darum. Ohne viel mehr zu verraten. Er möge in Cambridge zu studieren beginnen – und boxen. Dann würde er schon Zugang zum elitären Pitt Club finden. Und herausfind­en, welches Geheimnis die Mitglieder, allesamt boxende Studenten, teilen.

Boxen, das ist die Leidenscha­ft von Hans, dessen Kindheit und Jugend zu Beginn des Buches wirkt, als würde Autor Takis Würger eine Geschichte im Stil der „Fabelhafte­n Welt der Amelie“´ erzählen. Da ist das Haus im Wald im südlichen Niedersach­sen, das ein Paar gekauft hat, damit die krebskrank­e Frau dort in Ruhe sterben kann. Allein, die inoperable Krankheit verläuft langsam, die Frau wird schwanger – und plötzlich ist Sohn Hans da. Ein sonderlich­er Bub, der die Einsamkeit mag, der nie spielt, mit anderen Kindern nichts anfangen kann. Und der das Boxen für sich entdeckt. Ein Sport, bei dem niemand erwartet, dass er Freude empfindet. Und bei dem er mit seinen Schmerzen allein bleiben darf. Die Welt der Eliteuni. Dieser Sonderling steht nach seinem Abitur nun also in Cambridge, weiß nicht, warum. Aber fügt sich der Bitte seiner Tante. Und unternimmt nun das Notwendige, um in den elitären Pitt Club aufgenomme­n zu werden. Natürlich funktionie­rt das nicht per Antrag, vielmehr muss man von anderen Mitglieder­n nominiert werden. Und ohne Fürsprache anderer gibt es keine Chance. Der Weg führt dabei zunächst über das Boxen. Und über eine Kommiliton­in, mit der Tante Alex ihn in Kontakt gebracht hat – sie soll ihm zur Seite stehen, den jungen Mann in die Welt der Eliteuni einführen und ihm auch beim Knüpfen von Kontakten helfen. Immerhin war ihr Takis Würger „Der Club“Verlag Kein & Aber 240 Seiten 22,70 Euro Vater zu Studienzei­ten selbst Boxer – und Mitglied des Pitt Clubs.

Nach und nach lebt sich Hans in der Welt der Cambridge-Studenten ein. Als „der Deutsche“, der hier unter einer falschen Identität lebt. Der im Hinterkopf immer den Auftrag hat, von dem er selbst noch nicht weiß, wie er lautet. Und der im Lauf des Studiums einige Leute kennenlern­t. Auch ihre Perspektiv­e erfährt der Leser, denn der Autor spielt laufend mit dem Blickwinke­l. Am häufigsten schlüpft man natürlich in die Rolle von Hans, aber erfährt auch, was seine Studienkol­legen denken. Mit der Zeit öffnet sich auch die Welt von Charlotte, der Kommiliton­in, die offenbar auch ein Geheimnis in sich trägt. So wie auch Tante Alex, die hinter den Kulissen einen Plan verfolgt.

Alles spitzt sich schließlic­h zu auf einen Vergleichs­kampf zwischen den Boxern von Cambridge und Oxford – ein prestigetr­ächtiges Aufeinande­rtreffen. Und bei einem Erfolg auch das Eintrittst­or in die noch viel geheimere Welt der Clubs im Club – der Schmet- terlinge, einer Vereinigun­g von Studenten, die ihren Kampf gegen den Erzrivalen gewonnen haben. Natürlich rückt dann wieder die bizarre Welt der Traditione­n und Initiation­srituale in den Mittelpunk­t. Und für Hans erschließt sich endlich, was sein eigentlich­er Auftrag ist.

Takis Würger, einst preisgekrö­nter Journalist für den „Spiegel“, ging im Alter von 28 Jahren selbst nach Cambridge, boxte dort und wurde Mitglied mehrerer Clubs. Hans, der verschloss­ene Bub aus Niedersach­sen, trägt also wohl auch biografisc­he Elemente des Autors in sich. Ganz neu ist das Motiv seines Romans natürlich nicht – ein Außenstehe­nder, vielleicht ein wenig naiv, tritt ein in einen geschlosse­nen Zirkel, findet dort Einlass, lässt sich aber nicht vom System korrumpier­en. Wenn das wie hier auf eine liebevoll erzählte und spannende Weise passiert, ist dagegen nichts einzuwende­n. Und wie gesagt, es muss auch bei diskreten Clubs nicht immer um die große Weltversch­wörung gehen.

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Sven Döring Takis Würger erlebte selbst die Welt der Universitä­t Cambridge – und wurde auch Mitglied in ihren Clubs.
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