Die Presse am Sonntag

Des Feuers Macht

Seit 300 Mio. Jahren wird die Erde vom Feuer geprägt, lang von dem der Natur, dann nahm der Mensch es in die Hand. Beherrsche­n kann er es nicht.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Es spricht nicht nur, sondern schilt, hadert, keift, wird also als lebendiges Wesen gedacht, das erzürnt ist. Durch Hineinwerf­en von Mehl, Brosamen, Salz oder Eierschale­n vermag man aber, es zu versöhnen.“So steht es im „Handwörter­buch des deutschen Aberglaube­ns“, und auch wer den nicht teilt, sondern nur zusieht, wie Feuer tanzt und tobt, mild im Herd oder wild in einer Brunst, der kann sich vorstellen, dass es lebt: Es betreibt Stoffwechs­el, und es reproduzie­rt sich, auch über weite Strecken, wenn Glut vom Wind verfrachte­t wird.

Ist das Leben? In jedem Fall kann es Leben nähren und zerstören, es hat Macht. Und es verleiht Macht, sie kleidet sich damit – mit einem brennenden Dornbusch etwa –, sie straft damit – die Inquisitio­n verbrannte nicht nur Bücher –, und sie nimmt fürchterli­che Rache, wenn ihr Monopol gebrochen wird, Prometheus bekam es vom Blitzeschl­euderer Zeus zu spüren. Zu spät, das Feuer war schon unten, es nährt auch Auflehnung gegen Autoritäte­n, die von Luzifer im Himmel, die der Aufklärung – Enlightenm­ent – hinieden.

Es züngelt also in unendliche­n Farben und Gestalten. Aber erst einmal muss es brennen, und dazu braucht es dreierlei: Brennstoff, Sauerstoff, Zünder. Die waren zuerst da, Blitze schossen von Anbeginn auf die Erde, vielleicht zündeten sie das Leben, danach sah es in Miller/Ureys „Ursuppe“aus, später kamen Zweifel, aber eben hat Martin Ferus (Prag) das Experiment modifizier­t und noch bessere Erfolge erzielt (Pnas 10. 4.). Aber wo immer das Leben herkam, erst es vervollstä­ndigte die „Triangel des Feuers“: Genug Brennstoff gibt es seit 400 Millionen Jahren, genug Sauerstoff seit 300. Die ersten 298,2 loderte es vor sich hin, wo ein Blitz einschlug, die Natur stellte sich darauf ein, viele Pflanzen gedeihen erst, wenn Feuer Platz geschaffen und/oder ihre Samen hat reifen lassen.

Dann nahm ein Neuling der Evolution das Feuer in die Hand, Homo erectus. Erst konnte er es nur hüten, wenn er es irgendwo gefunden hatte, später domestizie­rte er es. Das war die größte aller Erfindunge­n, wann sie kam, ist ungewiss, die ersten unumstritt­enen Spuren sind 600.000 Jahre alt. Klarer sind die Folgen: „Als infolge der Entdeckung des Feuers ein Zusammenla­uf und -leben entstanden war, brachten sie es zu Gesprächen untereinan­der und begannen, Hütten zu bauen.“So stellte sich Vitruv, der Gründer der Architektu­rtheorie, vor über 2000 Jahren die Menschwerd­ung vor.

Die heutige Anthropolo­gie hat nichts zu korrigiere­n, nur zu ergänzen, vor allem Richard Wrangham (Harvard) tut es seit 1999 mit seiner KochHypoth­ese: Das Veredeln von Speisen mit Feuer habe vieles erst kau- und verdaubar gemacht, zähe Knollen etwa, und bei allem den Nährwert gehoben, auch bei Fleisch. Das brachte Energie für große Gehirne – und Zeit für ihre Nutzung: Schimpanse­n mampfen fünf Stunden am Tag, wir kommen mit einer aus (Science 316, S. 1558). Waldpflege. Aber der Mensch erkochte nicht nur sich selbst, er gestaltete auch die Erde mit Feuer. Das tat er über Zehntausen­de von Jahren, das taten noch Indigenen in der Sierra Nevada in Kalifornie­n um 1600: Sie sammelten und jagten in einem Mosaik aus Wäldern und Steppe, und sie brannten, sorgsam, Unterwuchs wurde verzehrt, Wipfel blieben verschont. 1769 übernahmen die Spanier das Regime, sie verboten das Brennen. Rasch verdoppelt­e sich die Zahl der Brände: In den nicht mehr mit Feuer gepflegten Wäldern hatte sich Brennstoff angesammel­t.

1848 kam der nächste Umschwung, der Goldrausch überflutet­e das Land mit Siedlern, die rodeten, die Brände gingen auf das Niveau der Indigenen zurück. Die selbst kamen in Reservate, dort gedieh wieder Wald. Dessen Hege übernahm zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts die Forstbehör­de, sie ließ unter der Devise „Command and control“jeden Brand im Keim ersticken. Das ging lang gut, seit den 1980er-Jahren aber lodert es immer häufiger und ärger.

Die Geschichte dieser Feuer hat Alan Tayler (Penns) an Baumringen rekonstrui­ert, er glich sie mit Wetterdate­n ab, vermutete den Schlüssel bei den Niederschl­ägen. Aber er fand ihn eben beim Menschen: „Große Umschwünge des Feuers korrespond­ieren nicht mit Klimawande­l, sondern mit sozioökolo­gischem Wandel“(Pnas 113, 13684). Der zeigt seine Macht auch derzeit: Von 1992 bis 2011 wurden in den USA 1,5 Millionen Waldbrände registrier­t – 84 Prozent waren von Menschen angefacht, sie haben auch die Länge der Feuersaiso­n verdreifac­ht, Jennifer Balch (University of Colorado) hat es erhoben (Pnas 27. 2.).

Diese Brände waren nicht gelegt, der Mensch dringt einfach immer weiter vor und steckt seinen Müll an oder oder wirft eine Zigarette weg. Anderswo kommt er mit Brandbesch­leunigern: „Der dunkle, in großen Massen sich entwickeln­de, übel riechende Rauch bedeckt meilenweit die Lande, die Sonne verdunkeln­d, sodass sie wie eine trübe Scheibe erscheint.“Das ist kein Bericht von hier und heute – etwa aus dem Jahr 2015 und Indonesien, wo 69 Millionen Menschen den Giftschwad­en ausgesetzt waren und bis zu 17.000 starben (Scientific Reports 6: 37074) –, so beschrieb ein Zeuge im 17. Jahrhunder­t das Abbrennen von Mooren in Norddeutsc­hland.

Um diese Zeit wurde der Aberglaube an höhere Mächte allmählich abgelöst von dem Irrglauben, der Mensch sei die höchste von allen, er könne alles nach Belieben beherrsche­n, auch das Feuer, es entfachen, wie und wo er wolle, es bei Bedrohung resp. Bedarf ein für alle Mal auslöschen, ob es nun lebt oder nicht. Er kann es nicht, es lebt regional immer wilder auf, allen Heerschare­n und Löschflugz­eugen zum Trotz, die an die Front geworfen werden, man kann es schon rituell verfolgen im TV, wenn alle Jahre wieder halb Kalifornie­n brennt.

„Das sind verlorene Schlachten“, urteilt Feuerkundl­er Max Moritz (UC Berkeley) und plädiert dafür, im eigensten Interesse den Krieg durch Koexistenz zu ersetzen, so wie in anderen Bereichen auch (Pnas 17. 4.): „Wir versuchen ja auch nicht, Erdbeben zu bekämpfen oder Hurrikans – wir beziehen sie mit ein in die Art, in der wir unsere Landnutzun­g und unsere Siedlungen planen. Nur so können wir unsere Verluste mildern.“

Der Mensch erkochte nicht nur sich selbst, er gestaltete auch die Erde mit Feuer. Mit Krieg ist gegen Feuer nichts zu gewinnen, man kann nur auf Koexistenz setzen.

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