Des Feuers Macht
Seit 300 Mio. Jahren wird die Erde vom Feuer geprägt, lang von dem der Natur, dann nahm der Mensch es in die Hand. Beherrschen kann er es nicht.
Es spricht nicht nur, sondern schilt, hadert, keift, wird also als lebendiges Wesen gedacht, das erzürnt ist. Durch Hineinwerfen von Mehl, Brosamen, Salz oder Eierschalen vermag man aber, es zu versöhnen.“So steht es im „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“, und auch wer den nicht teilt, sondern nur zusieht, wie Feuer tanzt und tobt, mild im Herd oder wild in einer Brunst, der kann sich vorstellen, dass es lebt: Es betreibt Stoffwechsel, und es reproduziert sich, auch über weite Strecken, wenn Glut vom Wind verfrachtet wird.
Ist das Leben? In jedem Fall kann es Leben nähren und zerstören, es hat Macht. Und es verleiht Macht, sie kleidet sich damit – mit einem brennenden Dornbusch etwa –, sie straft damit – die Inquisition verbrannte nicht nur Bücher –, und sie nimmt fürchterliche Rache, wenn ihr Monopol gebrochen wird, Prometheus bekam es vom Blitzeschleuderer Zeus zu spüren. Zu spät, das Feuer war schon unten, es nährt auch Auflehnung gegen Autoritäten, die von Luzifer im Himmel, die der Aufklärung – Enlightenment – hinieden.
Es züngelt also in unendlichen Farben und Gestalten. Aber erst einmal muss es brennen, und dazu braucht es dreierlei: Brennstoff, Sauerstoff, Zünder. Die waren zuerst da, Blitze schossen von Anbeginn auf die Erde, vielleicht zündeten sie das Leben, danach sah es in Miller/Ureys „Ursuppe“aus, später kamen Zweifel, aber eben hat Martin Ferus (Prag) das Experiment modifiziert und noch bessere Erfolge erzielt (Pnas 10. 4.). Aber wo immer das Leben herkam, erst es vervollständigte die „Triangel des Feuers“: Genug Brennstoff gibt es seit 400 Millionen Jahren, genug Sauerstoff seit 300. Die ersten 298,2 loderte es vor sich hin, wo ein Blitz einschlug, die Natur stellte sich darauf ein, viele Pflanzen gedeihen erst, wenn Feuer Platz geschaffen und/oder ihre Samen hat reifen lassen.
Dann nahm ein Neuling der Evolution das Feuer in die Hand, Homo erectus. Erst konnte er es nur hüten, wenn er es irgendwo gefunden hatte, später domestizierte er es. Das war die größte aller Erfindungen, wann sie kam, ist ungewiss, die ersten unumstrittenen Spuren sind 600.000 Jahre alt. Klarer sind die Folgen: „Als infolge der Entdeckung des Feuers ein Zusammenlauf und -leben entstanden war, brachten sie es zu Gesprächen untereinander und begannen, Hütten zu bauen.“So stellte sich Vitruv, der Gründer der Architekturtheorie, vor über 2000 Jahren die Menschwerdung vor.
Die heutige Anthropologie hat nichts zu korrigieren, nur zu ergänzen, vor allem Richard Wrangham (Harvard) tut es seit 1999 mit seiner KochHypothese: Das Veredeln von Speisen mit Feuer habe vieles erst kau- und verdaubar gemacht, zähe Knollen etwa, und bei allem den Nährwert gehoben, auch bei Fleisch. Das brachte Energie für große Gehirne – und Zeit für ihre Nutzung: Schimpansen mampfen fünf Stunden am Tag, wir kommen mit einer aus (Science 316, S. 1558). Waldpflege. Aber der Mensch erkochte nicht nur sich selbst, er gestaltete auch die Erde mit Feuer. Das tat er über Zehntausende von Jahren, das taten noch Indigenen in der Sierra Nevada in Kalifornien um 1600: Sie sammelten und jagten in einem Mosaik aus Wäldern und Steppe, und sie brannten, sorgsam, Unterwuchs wurde verzehrt, Wipfel blieben verschont. 1769 übernahmen die Spanier das Regime, sie verboten das Brennen. Rasch verdoppelte sich die Zahl der Brände: In den nicht mehr mit Feuer gepflegten Wäldern hatte sich Brennstoff angesammelt.
1848 kam der nächste Umschwung, der Goldrausch überflutete das Land mit Siedlern, die rodeten, die Brände gingen auf das Niveau der Indigenen zurück. Die selbst kamen in Reservate, dort gedieh wieder Wald. Dessen Hege übernahm zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Forstbehörde, sie ließ unter der Devise „Command and control“jeden Brand im Keim ersticken. Das ging lang gut, seit den 1980er-Jahren aber lodert es immer häufiger und ärger.
Die Geschichte dieser Feuer hat Alan Tayler (Penns) an Baumringen rekonstruiert, er glich sie mit Wetterdaten ab, vermutete den Schlüssel bei den Niederschlägen. Aber er fand ihn eben beim Menschen: „Große Umschwünge des Feuers korrespondieren nicht mit Klimawandel, sondern mit sozioökologischem Wandel“(Pnas 113, 13684). Der zeigt seine Macht auch derzeit: Von 1992 bis 2011 wurden in den USA 1,5 Millionen Waldbrände registriert – 84 Prozent waren von Menschen angefacht, sie haben auch die Länge der Feuersaison verdreifacht, Jennifer Balch (University of Colorado) hat es erhoben (Pnas 27. 2.).
Diese Brände waren nicht gelegt, der Mensch dringt einfach immer weiter vor und steckt seinen Müll an oder oder wirft eine Zigarette weg. Anderswo kommt er mit Brandbeschleunigern: „Der dunkle, in großen Massen sich entwickelnde, übel riechende Rauch bedeckt meilenweit die Lande, die Sonne verdunkelnd, sodass sie wie eine trübe Scheibe erscheint.“Das ist kein Bericht von hier und heute – etwa aus dem Jahr 2015 und Indonesien, wo 69 Millionen Menschen den Giftschwaden ausgesetzt waren und bis zu 17.000 starben (Scientific Reports 6: 37074) –, so beschrieb ein Zeuge im 17. Jahrhundert das Abbrennen von Mooren in Norddeutschland.
Um diese Zeit wurde der Aberglaube an höhere Mächte allmählich abgelöst von dem Irrglauben, der Mensch sei die höchste von allen, er könne alles nach Belieben beherrschen, auch das Feuer, es entfachen, wie und wo er wolle, es bei Bedrohung resp. Bedarf ein für alle Mal auslöschen, ob es nun lebt oder nicht. Er kann es nicht, es lebt regional immer wilder auf, allen Heerscharen und Löschflugzeugen zum Trotz, die an die Front geworfen werden, man kann es schon rituell verfolgen im TV, wenn alle Jahre wieder halb Kalifornien brennt.
„Das sind verlorene Schlachten“, urteilt Feuerkundler Max Moritz (UC Berkeley) und plädiert dafür, im eigensten Interesse den Krieg durch Koexistenz zu ersetzen, so wie in anderen Bereichen auch (Pnas 17. 4.): „Wir versuchen ja auch nicht, Erdbeben zu bekämpfen oder Hurrikans – wir beziehen sie mit ein in die Art, in der wir unsere Landnutzung und unsere Siedlungen planen. Nur so können wir unsere Verluste mildern.“
Der Mensch erkochte nicht nur sich selbst, er gestaltete auch die Erde mit Feuer. Mit Krieg ist gegen Feuer nichts zu gewinnen, man kann nur auf Koexistenz setzen.