Suchtspielzeug in allen Händen
Fingerkreisel, sogenannte Fidget Spinner, breiten sich derzeit fast epidemieartig in Schulklassen aus. Zur Beruhigung: Es ist nicht das erste Spielzeug, das manisch durch Kinderhände wandert.
Sie sind nicht einmal auf der Straße zu übersehen. Schulkinder, die einem zur Mittagszeit entgegenkommen und kleine rotierende Geräte in der Hand halten. Manchmal in Lila, manchmal in Grün, manchmal in Orange. Würden diese Teile in der Kinderhand stillstehen, könnte man eine Art Ninjasterne mit abgerundeten Ecken sehen – die aber nicht geworfen werden. Eigentlich sind die Plastikteile nichts anderes als Fingerkreisel. Ein Spielzeug, das derzeit gefühlt jeder hat. Wer mit Eltern von Schulkindern redet, weiß: Entweder die zehn- und zwölfjährigen Sprösslinge selbst haben ihn schon – wenn nicht, haben ihn alle anderen Kinder in der Klasse. Oder beides. Diverse Wiener Spielzeuggeschäfte berichten von einer exorbitanten Verkaufsnachfrage – täglich gehen mehrere Dutzend über den Ladentisch. Es muss ein riesiges Geschäft sein: In der Thaliastraße im 16. Bezirk haben Handyshops schon ein zweites Standbein gewittert und ihre Auslagen mit den kleinen Plastikteilen ausgeschmückt. In Deutschland hat der Hype dem Spielwareneinzelhandel jedenfalls schon mehr als eine Million Euro Umsatz beschert, wie die „Zeit“berichtet. In einem Monat.
Ja, die Fidget Spinner, wie sie heißen, kamen schnell aus den USA. Durch YouTube und Co. finden sogar Spielzeughypes mittlerweile weltweit zeitgleich statt. Auf YouTube sind auch unzählige Tricks mit den Spinners zu finden. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die den Kreisel auf einem Zeh balancieren, die ihn in die Luft werfen und wieder auffangen, ohne dass er aufhört, sich zu drehen.
Angeblich wurde der Vorläufer des Geräts schon in den 1990ern von der US-Chemikerin Catherine A. Hettinger entwickelt. Das Patent erlosch aber 2005. Den aktuellen Hype sollen zwei US-Teenager ausgelöst haben, die den Spinner mithilfe eines 3-D-Druckers produziert haben. Dem Spielzeug wird nachgesagt, Kinder mit ADHS zu beruhigen. Daher der Name: Fidget (Zappelphilipp) Spinner (von „to spin“: kreiseln). Die Wirkung des Teils ist aber nicht bewiesen, die Suchtwirkung dafür empirisch schwer zu ignorieren. In den USA haben genervte Lehrer und Direktoren die Kreisel mittlerweile aus Schulen verbannt. Und auch in Wien ist bereits Kritik von Lehrern zu hören, die sich das Gleiche wünschen.
Vielleicht hilft es auch einfach, abzuwarten. Der Fidget Spinner ist nicht das erste Spielzeug, das manisch durch Kinderhände wandert. Es wird auch nicht das letzte sein. Das Gute ist: Keines hat den Hype überdauert. Niemand hat gewusst, wofür das Teil gut ist – aber jeder wollte es haben. Die handflächengroßen regenbogenfarbenen Spiralen, die in den 1990ern auf einmal angesagt waren. Erst als Erwachsener hat man das richtige Wort im Internet dafür gefunden: Treppenläuferspirale. Für die Treppe wurde das Spielzeug bei uns in der Klasse aber nie eingesetzt. Wir ließen sie nur in einer Endlosschleife von der einen Hand in die andere sausen – und erfreuten uns am angenehmen Surrgeräusch und an den Farben. Irgendwann stand das Teil als Brief- und Zettelhalter auf dem Tisch. Dann kam es in eine Schachtel. Dort fängt es heute noch Staub. Es muss Ende der 1980er gewesen, als es plötzlich da war, das Jo-Jo. In den Pausen wurde nicht mehr Karten gespielt, geredet oder gegessen, sondern mehr oder weniger elegant versucht, zwei miteinander verbundene Scheiben auf und ab zu bewegen. Buben, Mädchen, sogar mancher Lehrer. Allerdings hielt der Hype in unserer Klasse nur einen Sommer lang. Vielleicht, weil wir es übertrieben haben, vielleicht aber auch, weil man alle paar Tage ein neues Ding kaufen musste – sobald man die Schnur zum ersten Mal selbst aufgewickelt hatte, funktionierte es schon nicht mehr richtig. Glump! Und als Taschengeldbezieher ständig ein neues kaufen? Nein, ab dem 20. neuen Modell ist auch einmal Schluss. Man muss schließlich loslassen können. Der Versuch ist der Beginn des Versagens. Wobei, so schwierig war es dann auch wieder nicht, die zwei an einer Schnur verknoteten Kugeln durch regelmäßige Bewegungen der Hand aneinanderkrachen zu lassen. Rauf, runter, rauf, runter – irgendwann klackte es eben ein bisschen. Und ab dann hätte man ein bisschen Ehrgeiz gebraucht, um weiterzumachen. Oder es war die Erkenntnis, dass zwei Kunststoffkugeln, die klick-klack machen, auf Dauer nicht wahnsinnig unterhaltsam sind. Aber gut, in den 1970ern gab es halt noch keine Computerspiele. 1981 gab es drei Dinge, die wichtig waren: Lady Di heiratete Prinz Charles, was aber nur die Mädchen in unserer Klasse und meine Oma interessierte. Der Russe Alexander Schirov gewann vier Skirennen, womit mir mit elf endlich der Begriff Kalter Krieg klar wurde. Und dann war da der Zauberwürfel. Auf Zetteln malten wir die Drehkombinationen auf. Es kursierten mehrere Systeme. Den Würfel haben wir zerlegt und innen mit Vaseline eingeschmiert – zwecks eines höheren Drehmoments. Wir spielten eigentlich nur in der Schule damit. In den Pausen und in Religion (vor anderen Lehrern hatten wir zu viel Schiss). Manchmal schaffte ich es unter einer Minute. Ich war Dritt- oder Viertbester in unserer Klasse.