Die Presse am Sonntag

Wiener Wellenreit­er auf der Alten Donau

Garantiert keine Haie und garantiert keine Wellen: In Wien gibt es erstmals Surfvorber­eitungskur­se, damit sich Wellenreit­er im Urlaub ganz auf den Sport konzentrie­ren können. Oder Anfänger ihn das erste Mal ausprobier­en. Gut so.

- VON EVA WINROITHER

Und plötzlich fühlt es sich wieder so an wie im Urlaub. Vor uns sinkt die Sonne langsam ins Wasser und taucht den Abend in ein stimmungsv­olles Licht. Der Umgebungsl­ärm ist ruhiger geworden. Keine Badegäste, die schreien, nur ein paar Schwäne, die lautlos durch das Wasser gleiten. So wie unsere Surfboards, auf denen wir mit (versucht) rhythmisch­en Bewegungen durch die noch immer fast warme Alte Donau kraulen. Eine Hand streckt sich und zieht möglichst entspannt durchs Wasser, dann die andere. Meditativ ist das. Und plötzlich ist es auch wieder da. Das leichte Ziehen in der Schulterge­gend, das im Laufe der Stunde noch heftiger werden soll. Ja, auch das fühlt sich wie Urlaub an – und ist mitunter ein Grund, warum wir uns alle hier zusammenge­funden haben. Ein Meeresbiol­oge in Wien. Seit Anfang Juni gibt es erstmals in Wien das, was Surfer im Idealfall zuhause oder im Schwimmbad im Alleingang machen, meistens aber eben nicht tun: Surfvorber­eitungskur­se, in denen man gezielt Paddeln und Kraft trainiert sowie Dehnübunge­n macht. Denn wer den Sport einmal ausprobier­t hat, der weiß: Vor allem das ständige Paddeln durch die Wellen ist anstrengen­d. Je mehr man also davor trainiert, desto mehr kann man sich auf das Absurfen der Welle konzentrie­ren. Sonst läuft man Gefahr, nach fünfzehn Minuten wie ein nasser Sack auf dem Brett zu hängen.

„Immer zuerst die Balance finden, bevor ihr lospaddelt, sonst bremst ihr“, sagt Markku Helve auf Englisch. Er ist Trainer, gebürtiger Finne und Meeresbiol­oge. Er und seine Frau Anna Kovacs-Helve, eine Wienerin und Archi- tektin, die mit dem neugeboren­en Sohn während des Kurses auf der Wiese sitzt, haben die Vorbereitu­ngskurse gegründet. „Eigentlich haben wir aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt sie.

Beide 36-Jährigen sind begeistert­e Surfer, haben sich auch über den Sport kennengele­rnt. Als die beiden keine Fernbezieh­ung mehr führen wollten, war klar, dass einer zum anderen ziehen musste. Kovacs-Helve wollte ihr Architektu­rbüro nicht aufgeben. „Als Meeresbiol­oge hat man es aber schwer in Österreich“, sagt sie. Auswandern sei auch keine wirkliche Option gewesen. „Wir sind nicht die klassische­n Aussteiger.“Außerdem habe Wien eine hohe Lebensqual­ität.

Also musste eine Alternativ­e her. „Ich bin selbst immer vor dem Surfen in Greifenste­in paddeln gegangen“, erzählt Kovacs-Helve. Ihr Mann ist wiederum zertifizie­rter Surflehrer. So kamen die beiden gemeinsam mit einer Freundin (die auch Anna heißt) auf die Idee, die Vorbereitu­ngskurse zu starten. „Mit garantiert ohne Wellen und ohne Haie“, sagt Kovacs-Helve und lacht. Nachsatz: „Es ist auch ein Lebensgefü­hl, das wir vermissen und das wir nach Wien bringen wollen.“ KrŻft, Aus©Żuer, Dehnung. Jetzt gibt es also zwei bis drei Mal in der Woche Paddelkurs­e auf der Alten Donau (Treffpunkt: Bootsverle­ih Seepferdch­en) sowie zwei Surf-Functional-Kur- se im Stadtpark, wo eigens Krafttrain­ing gemacht wird, und Yoga, das sich auf die typischen Surf-Dehnungen (Hüftöffner!) konzentrie­rt. Alles mit spezialisi­erten Lehrern.

Derzeit residiert das SurfnYogaH­ouse, wie die Firma heißt, noch als Pop-Up-Store in der Zollergass­e im Siebenten. Eigene Räume soll es demnächst geben – sie werden gerade umgebaut. Dann wird auch das Cafe´ eröffnen, wo sich die Kursteilne­hmer treffen Trockentra­ining: Vor dem Paddeln wird das Aufstehen am Board geübt. können – außerdem wird es deutlich mehr Kurse geben. Denn derzeit befindet sich die Firma noch im Soft-Opening. Im Winter werden die Paddelkurs­e übrigens in der Stadthalle stattfinde­n.

Auch Anfänger können – und sollen – die Kurse besuchen, bevor sie das erste Mal auf das Brett steigen. „Es geht uns darum, die Qualität beim Surfen zu erhalten“, sagt Kovacs-Helve. Wer Paddeln kann, könne sich schneller unab-

Ein meditative­s Gefühl macht sich breit, als die Boards über das Wasser gleiten. Wer vorher trainiert, kann sich nachher mehr aufs Absurfen der Wellen konzentrie­ren.

hängig von Lehrern in die Wellen stürzen. „Das ist ja der eigentlich­e Spaß.“

Dementspre­chend kurzweilig sind die Paddelkurs­e gestaltet. Neben der Technik werden auch Boardgefüh­l und Sicherheit gelehrt. „Und jetzt paddeln wir und halten dann die Luft für 30 Sekunden an“, sagt Markku daher. Eine Übung, um nicht in Panik zu geraten, falls man Wellen durchtauch­en muss.

Seine Assistenti­n Steffi – die beiden sind immer zu zweit im Wasser – korrigiert derweil die Handhaltun­g eines Teilnehmer­s. Am Ende der Stunde sind die Arme schwer und die Schultern ziehen tatsächlic­h noch mehr – ein sicheres Zeichen, dass die richtigen Stellen trainiert wurden. Die Kurse finden übrigens auch bei nicht so schönem Wetter im Freien statt. Solange es halt geht. Denn auch das gehört zum Surfen dazu. So wie die Sonne, die nun wirklich tatsächlic­h über dem Wasser fast verschwind­et.

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Jenis Markku Helve (li.) mit seinen Paddel-Schülern an der Alten Donau.

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