Putzige Kostgänger
Wer einen Futterkasten für Eichhörnchen aufhängt, muss sich in Geduld üben, denn es dauert oft eine ganze Weile, bis die behänden Tiere tatsächlich zu Nüssen und anderen Leckerbissen vordringen.
Der Nachbar ist verdrossen. Unlängst war er über mehrere dunkle Wintertage hinweg vom Angesicht des Grundstücks verschwunden. Dafür war aus den Tiefen seiner Kellerwerkstatt der vertraute Lärm von Stichsäge, Bohrer, Hammer und Hobel nach oben gedrungen. Als er schließlich staubbedeckt und mit Holzspänen im verbliebenen Haupthaar wieder an die Erdoberfläche zurückkehrte, brachte er seine Werkstücke in Form mehrerer entzückender kleiner Holzkästchen samt Sichtfenstern mit und erwartete sofortige Bewunderung dafür. Sie ward ihm natürlich zuteil.
Diese hier, sprach er froh und fast ein bisschen aufgeregt, sind die neuen Futterhäuser für unsere Eichhörnchen. Er vermachte je eines dem unteren Nachbarn und mir und brachte seines sogleich an jenem Baum an, der einerseits vom Küchenfenster aus gut zu sehen ist und andererseits von den hiesigen Eichkätzchen gern und mit bewundernswerter Eleganz erklommen wird.
Denn nach Jahren ohne Besuch von Eichhörnchen erfreuen wir uns seit geraumer Zeit wieder an der ständigen Anwesenheit der anmutigen Tierchen. Möglicherweise fühlen sie sich deshalb wieder wohl hier, weil der Baumbestand unserer nachbarlichen Grundstücke mittlerweile so stattlich ist, dass die Eichkätzchen mehrere Tausend Quadratmeter durchmessen können, ohne ein einziges Mal auf den Boden hinabhüpfen zu müssen. Akrobaten. Diese Winzlinge mit dem buschigen Schwanz sind bekanntlich bewundernswerte Akrobaten. Sie können bis zu vier, fünf Meter weit springen und turnen in atemberaubender Eleganz von Baumkrone zu Baumkrone. Wir unterscheiden mehrere abweichend gefärbte unter ihnen. Etwa ein schon etwas mottenzerfressenes Althörnchen in Grau, ein besonders schönes in ganz dunklem, fast schwarzem Braun, ein hell rotbraun gefärbtes, das stets so glatt-glänzend-säuberlich ausschaut, als sei es gerade aus einem Ei geschlüpft.
Vergangenen Frühsommer promenierte sogar eine Eichkätzchenmutter mit vier Jungen vor besagtem Küchenfenster, was an Possierlichkeit nicht zu überbieten war. Der Nachbar, der auch die Vögel der Umgebung mit zumindest einem halben Dutzend stets mit Nüssen, Rosinen und anderen Leckereien überquellender Futterhäuschen verwöhnt, erwartete nun einen sofortigen Eichkätzchenansturm. Dieser blieb aus. Dabei könnte auch ein halb blindes Eichhörnchen durch das Sichtfenster die köstlichen dargebotenen Walnüsse erblicken. Diese warten jedoch auch jetzt noch, ein paar Wochen später, auf Kostgänger in Form der putzigen Nager. Um zum Inhalt zu gelangen, müssten sie den oben angebrachten Deckel anheben. Er frage sich, so der Nachbar schließlich, ob es jemals ein hyperintelligentes Eichhörnchen irgendwo auf dieser Welt gegeben habe, dem es gelungen sei, diese „komplette Fehlkonstruktion“zu knacken.
Die Nachbarin stellte hingegen eine andere These auf. Angesichts der ständig geschäftig mit Nüssen in der Schnauze hin- und herhuschenden Tierchen sei das Nahrungsangebot rund um den verzwackten Futterkasten möglicherweise reichhaltig genug und die Futterstelle schlichtweg überflüssig. Zu guter Letzt erreichten jedoch Hoff-