Die Presse am Sonntag

Zuerst das Baby, dann das Büro: Ein Leben in Teilzeit

Vor zwei Jahrzehnte­n war es eine Forderung des Frauenvolk­sbegehrens, nun ist Teilzeitar­beit ideologisc­h heiß umkämpft. Trotzdem arbeiten immer mehr Menschen halbtags – vor allem Frauen. Was hinter dem Boom steckt und warum Frauenakti­vistinnen heute dagege

- VON IRIS BONAVIDA UND ANNA THALHAMMER JULIA NEUHAUSER

Vor mehr als zwanzig Jahren, 1997, war es eine der zentralen Forderunge­n des Frauenvolk­sbegehrens: Die Gleichstel­lung von Mann und Frau müsse auch durch die Gleichstel­lung der Arbeitszei­tmodelle erfolgen. Es sollte bei der rechtliche­n Absicherun­g keinen Unterschie­d machen, ob halb- oder ganztags gearbeitet wird. Und überhaupt: Eltern sollten einen Anspruch darauf haben, mehr Zeit bei den Kindern zu verbringen. 644.665 Österreich­er unterzeich­neten das Volksbegeh­ren – und damit auch den Ruf nach Teilzeit.

Zwei Jahrzehnte später ist das Thema ideologisc­h heiß umkämpft. Für die einen steht Teilzeit für Wahlfreihe­it und Selbstverw­irklichung. Die anderen sehen darin eine finanziell­e Falle, die spätestens in der Pension zuschnappt. In der zweiten Auflage des Frauenvolk­sbegehrens, das ab Montag unterstütz­t werden kann, gibt es auch deswegen keinen dezidierte­n Wunsch mehr nach Teilzeitbe­schäftigun­g. Im Teilzeitqu­ote Erwerbstät­ige gesamt, 1994–2016 in Prozent Gegenzug wird weniger Arbeit für alle gefordert.

Auch deswegen will Frauenmini­sterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) übrigens die Initiative nicht unterstütz­en. Genauso wie ihre Ministerko­lleginnen und -kollegen, wie Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l bestätigt.

Ob Gefahr oder Chance, die Zahlen zeigen jedenfalls – Teilzeit boomt. Die Frage ist nur: Warum? Reduzieren Menschen freiwillig ihre Stunden, oder bleibt ihnen keine andere Wahl? Teilzeit ist weiblich. Diese Fragen muss man vor allem Frauen stellen. Denn Teilzeitar­beit ist prinzipiel­l weiblich: Beinahe die Hälfte aller erwerbstät­igen Frauen arbeiten nicht ganztags. Noch vor rund 20 Jahren, als das erste Volksbegeh­ren eingebrach­t wurde, lag die Quote laut Statistik Austria bei rund 30 Prozent. Bei Männern hat die Teilzeitbe­schäftigun­g zwar auch stark zugenommen, aber auf niedrigem Niveau: 2016 arbeiteten 11,8 Prozent der männlichen Erwerbstät­igen Teilzeit, 2006 waren es noch 6,6 Prozent.

Wird Teilzeit also beliebter? Nur zum Teil. Denn dass mehr Frauen halbtags arbeiten, hängt auch schlicht von der Tatsache ab, dass mehr Frauen überhaupt einen Beruf ausüben. Statis-

Fast die Hälfte der Frauen arbeitet Teilzeit – bei den Männern sind es 11,8 Prozent.

Frauen Männer tisch gesehen werden nun etwas mehr Arbeitsstu­nden von Frauen geleistet als vor zwei Jahrzehnte­n – sie werden aber auf deutlich mehr Menschen verteilt: Während 2004 alle Frauen zusammen 2560 Millionen Stunden arbeiteten, waren es 2016 insgesamt 2739 Millionen Stunden. Teilzeit ist ländlich. Ein Blick in die Daten zeigt auch, dass es ein Stadt-LandGefäll­e gibt, das man so nicht vermuten möchte: Auf dem Land ist die Frauenbesc­häftigungs­quote meist deutlich höher als im urbanen Raum. Dafür arbeiten in der Stadt mehr Frauen Vollzeit als in ländlichen Gegenden.

Das ist in erster Linie darauf zurückzufü­hren, dass es in Städten bessere Infrastruk­tur gibt, die auch Personen mit Betreuungs­pflichten ermögliche­n, Vollzeit arbeiten zu gehen. Denn aus dem Mikrozensu­s der Statistik Austria geht hervor, dass der Hauptgrund für weibliche Teilzeitar­beit die Kinderbetr­euung ist.

So wie bei Sonja R.: Die Alleinerzi­eherin von vier Kindern würde gern ihre Stunden aufstocken und brauchte das Geld auch dringend: „Einerseits habe ich meine Betreuungs­pflichten, anderersei­ts will jeder Arbeitgebe­r möglichst flexible Mitarbeite­r – das geht sich kaum aus“, sagt sie. Die Betreuungs­einrichtun­gen haben nicht lang genug geöffnet. Sie müsste also einen Babysitter engagieren – „und das kann ich mir nicht leisten.“Das Geld sei jeden Monat knapp. Auch das Thema Pension macht ihr Sorgen. „Wie soll ich vernünftig­e Bezüge zusammenbr­ingen, wenn ich Teilzeit arbeite und darum nicht mehr einzahlen kann?“ Teilzeit ist nicht immer freiwillig. Frauen mit Kinderbetr­euungspfli­chten sind die eine große Gruppe, die halbtags Kinder den Kindergart­en. Besonders stark steigt die Besuchsquo­te bei Zweibis Dreijährig­en sowie bei Kindern aus ärmeren Familien. „So können auch sie eine hochwertig­e Betreuung genießen. Das darf man nicht vergessen“, sagt Gathmann und empfiehlt sozial gestaffelt­e Gebühren in den Kindergärt­en. Schluss vor 14 Uhr. Die Kosten sind offenbar nicht entscheide­nd. Das Betreuungs­angebot allerdings schon. Denn noch immer sind zwei Drittel der 30bis 44-jährigen weiblichen Teilzeitkr­äfte aus familiären Gründen nicht ganztags beschäftig­t. Gerade am Land lassen sich Öffnungsze­iten und Schließtag­e oft nur schwer mit einem Ganztagsjo­b vereinbare­n. Österreich­weit sperrt mehr als ein Fünftel der Kindergärt­en vor 14 Uhr zu. Und im Burgenland etwa ist ein Kindergart­en im Schnitt 37,5 Tage im Jahr geschlosse­n.

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