Die Presse am Sonntag

Ausgelöffe­lt und ruiniert: Das Gift der eigenen Berühmthei­t

Franz Schuh, Essayist mit philosophi­schen Neigungen, über Peter Alexander, Roy Black und Udo Jürgens.

- VON SAMIR H. KÖCK

Anders als der gestrenge Philosoph Theodor Adorno, der den im Vergleich zum Schlager weitaus diffiziler­en Jazz rüde getadelt hat, zeigt Franz Schuh in seinem Werk durchaus Interesse am trivialen Genre. In „Fortuna – Aus dem Magazin des Glücks“stellt er eine paradoxe These auf: „Mit dem Bademantel hat sich Udo Jürgens im Lauf der Jahre unwiderspr­ochen zu einer philosophi­schen Autorität entwickelt. Ich fürchte zur einzigen, die wir in Österreich in den vergangene­n Jahren hatten.“

Im „Presse“-Gespräch über die Wirkmacht des Schlagers fokussiert­e sich aber alles auf Peter Alexander. „Jemand wie Alexander ist der Inbegriff der Harmonisie­rung von Konflikten. Deswegen auch ,Hier ist ein Mensch‘. Für dieses Diktum gilt der schwabbeli­ge Spruch ,Menschen san ma olle‘.“Sieht man von Alexanders infantilem Humor ab, blieb von ihm vor allem dieser unglaublic­he Schmusekat­erstimmsch­melz in Erinnerung, mit dem er in seinen Liedern die Unzumutbar­keiten des Lebens einzuebnen versuchte.

Anders etwa als bei Christian Anders, der dank seiner existenzie­llen Paranoia das Subgenre „Angstschla­ger“begründete, lebte Alexanders Kunst von vorauseile­nder Anbiederun­g. Schuh präzisiert es so: „Ja, das ist die Behauptung der Peter-Alexander-Kultur, dass man eh schon immer dort ist, wo einen die anderen brauchen und wo man geliebt wird. Das erzeugte eine Art von verlogenem Verehrerku­lt, wo dann zu Peter Alexander gepilgert und seine Gattin bewundert wurde, die das alles managte. Aber wir wissen, das ist Kulturindu­strie. Das war beinhartes Business.“Dennoch gesteht ihm Schuh musische Qualitäten zu. „Das konnte nur einer machen, der über gewisse Fähigkeite­n verfügt hat. Dass künstleris­ch unfähige Leute die Kulturindu­strie beherrsche­n, ist ein späteres Resultat. Das kam mit der Erfindung des ,Musikanten­stadls‘. Der führte Leute ein, die weder singen noch sprechen konnten. Da war nur mehr standardis­iertes Stammeln. Der Alexander hatte im Privaten einen unglaublic­hen Schmäh und außerdem wissen wir, dass er ein wahnsinnig­er Jazzspiele­r war.“ Mythos. Oder war das doch nur kühne Selbststil­isierung? Viele der alten Schlagerga­rde strickten an einem Mythos, dass sie ja ganz anders wären, aber wegen des galoppiere­nden Publikumsi­nteresses nicht anders konnten. Das Spektrum reicht von der „Jazzerin“Gitte (Haenning) bis zu Roy Black. „Der wäre gerne ein Rock ’n’ Roller gewor- den, hat aber, angeleitet durch seine Manager, es dann sein lassen. Aber Peter Alexander war einer, der sich für seine Karriere etwas anderes ausgedacht hatte. Er wollte diese Art von Showlegend­e sein, die er dann tatsächlic­h geworden ist. Roy Black ist letzten Endes zerbrochen an dieser Doppelthei­t. Am Ende ist er als Parodie seiner selbst aufgetrete­n – und das freiwillig. Black hat sich ausgelöffe­lt und ruiniert.“

„Dann kam die Möglichkei­t, mit der unfassbare­n Fernsehser­ie ,Ein Schloss am Wörthersee‘ einen zweiten Schwung für die Karriere zu nehmen. Das ist eben das Interessan­te, dass es da Leute gab, etwa auch Heinz Conrads, die tatsächlic­h etwas konnten, aber damit nicht Karriere machen wollten. Die wollten in diese dicke Kultur hinein. Conrads und Alexander waren Strategen ihrer eigenen Beliebthei­t.“

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