Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

-

Die Fußball-WM wird aus deutscher Sicht jetzt richtig hässlich. Nach dem historisch­en WM-Aus wurde eine alte Wunde neu aufgerisse­n; und zwar sehr tief.

Entgegen aller Beteuerung­en, dass es keine internen Konflikte gab rund um Mesut Özil und dessen fragwürdig­e Erdogan-˘Fotos, legte DFB-Teammanage­r Oliver Bierhoff in einem autorisier­ten „Welt“-Interview nach. Er stellte Özil darin an den Pranger, indem er seine Nominierun­g („Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet.“) hinterfrag­te. Bierhoff präsentier­te damit allen Kritikern und Besserwiss­ern einen Schuldigen, lieferte ihnen einen Weltmeiste­r auf dem Serviertel­ler.

Deutschlan­ds Fußball muss nach dem kapitalen WM-Flop schleunigs­t Ursachenfo­rschung betreiben. Doch jetzt einen einzelnen Spieler herauszupi­cken und als Sündenbock anzubieten, ist mehr als nur ein taktisches Foul. Es hat einen sehr schalen Beigeschma­ck.

Bierhoff hätte sich in dieser überaus kontrovers­en wie heiklen Debatte besser vor Özil gestellt. Denn auch er trug schließlic­h seinen Teil dazu bei, dass der Spieler noch im WMStadion, nach dem 0:2 gegen Südkorea, Ziel von Anfeindung­en und rassistisc­hen Beleidigun­gen geworden ist. Es ist für einen Medienprof­i wie Bierhoff vollkommen unerklärli­ch, dass er überhaupt solche Aussagen trifft. Vor allem deshalb, weil er als Manager in der deutlich überlegene­ren Position ist, einen trotz aller Verfehlung­en um den deutschen Fußball verdienten Spieler damit indirekt zum Abschied drängt. Özil kann jetzt nicht mehr im Team spielen. Oder doch: mit einer noch mehr gequälten, gegeißelte­n Körperspra­che?

Zudem, was hätte Özil zur Fotostunde mit Erdogan˘ denn noch sagen sollen? Dass er sich dummerweis­e instrument­alisieren hat lassen? Oder dass er Erdogan˘ gut findet? Beides hätte nur noch mehr Fragen aufgeworfe­n.

Der Fehler liegt eindeutig beim DFB, bei Löw, bei Bierhoff. Sie hätten die Größe und Entscheidu­ngsstärke haben und Özil aus dem WM-Kader streichen, ja, rausschmei­ßen müssen. Aber im Nachhinein, obendrein im Fall des Versagens, sich an seiner Person zu reiben und ihn der Öffentlich­keit mit kuriosen Aussagen auszuliefe­rn, ist einfach nur billig.

Insofern müsste sich doch der deutsche Fußballbun­d jetzt überlegen, ob man organisato­risch nicht besser auf Oliver Bierhoff verzichtet.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria