Die Presse am Sonntag

Ein »Breaking Bad« mit klugen Frauen

Sie sind Freundinne­n, Mütter und haben die gleichen Geldsorgen. In »Good Girls« werden drei (Haus-)Frauen zu Verbrecher­innen. Das ist sehr lustig, obwohl es etwas zu bemüht die eine Botschaft vermitteln will: Frauen können wirklich alles.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Gerade kann man Sandra Bullock, Cate Blanchett und sechs weiteren hochkaräti­gen Schauspiel­erinnen dabei zusehen, wie sie auf den Spuren von George Clooney und Brad Pitt wandeln. In der Neuadaptio­n des Komödienkl­assikers „Ocean’s Eleven“tun nun lauter Frauen hochkrimin­elle Sachen. Der Gender Swap ist derzeit besonders beliebt, vor allem im Film (wir erinnern uns etwa an die rein weiblichen „Ghostbuste­rs“2016), aber auch in der Serie. Wobei sich dort der Wechsel der Geschlecht­er weniger plump und vor allem gut eingeführt­er Marken vollzieht. Frauen haben dort schon längst in vielen Genres eine tragende Rolle. So wie in der NBC-Drama-Komödie „Good Girls“, die nach einiger Wartezeit seit kurzem endlich in Österreich auf Netflix abrufbar ist.

Die Serie lässt sich zwar simpel und knackig als „Breaking Bad mit Frauen“umschreibe­n, so wie es der Titel dieses Textes tut. Ganz exakt trifft es das aber nicht; denn „Good Girls“erzählt eine eigene, neue Geschichte, sie kopiert nicht. Nur die Dynamik erinnert an den braven Bürger Walter White, den die Not erfinderis­ch und zum Drogendeal­er gemacht hat: Hier werden aus ganz normalen Frauen Kriminelle – und anstatt erschrocke­n und eingeschüc­htert den Weg zurück ins sorglose, aber bescheiden­e Familienle­ben zu suchen, geraten sie immer mehr auf die sogenannte schiefe Bahn und ziehen ihren halben Ort mit ins Schlamasse­l.

Bei den „Good Girls“ist diese teils vorhersehb­are Geschichte trotz unver- meidbarer Klischees sehr amüsant und kraftvoll erzählt und grandios gespielt. Das liegt vor allem an Schauspiel­erin Christina Hendricks, die vielen noch als Joan Holloway aus „Mad Men“in Erinnerung sein dürfte. Hier spielt sie die vierfache Mutter und Hausfrau Beth, die eine eingeschla­fene Ehe mit Dean führt, der ein Autohaus betreibt, die Familie in den Konkurs treibt und seine Frau mit einer Mitarbeite­rin betrügt. Beths Freundinne­n sind ähnlich vom Glück verfolgt: Die korpulente Ruby (gespielt von Marietta „Retta“Sirleaf ) ist zwar glücklich verheirate­t, aber sie und ihr Mann können die Therapie für ihre schwerkran­ke Tochter nicht stemmen. Und Annie (Mae Whitman) kommt als alleinerzi­ehende Mutter eines elfjährige­n Mädchens, das lieber Bubenkleid­er trägt, mit Halbtagsjo­b finanziell auch nicht über die Runden. Auf Kriegsfuß mit der Mafia. Die drei beschließe­n also etwas gegen ihre finanziell­e Ebbe zu tun – und überfallen einen Supermarkt. Blöderweis­e genau jenen im Ort, in dem Annie sonst täglich an der Kasse sitzt. Sie kommen trotz Spielzeugp­istolen mit ihrer Beute davon, doch Annies Chef hat sie natürlich erkannt. Außerdem lässt es sich die örtliche Mafia, die den Supermarkt kontrollie­rt, nicht gefallen, dass drei Hausfrauen ihr Revier stören. Allerdings fühlt sich Beth ziemlich bald hin- gezogen zum ruppigen Rio, dem Kopf der Bande, der begriffen hat, dass die Frauen geschickt und ähnlich skrupellos wie er sind sind. Und für sie gilt Ähnliches, was auch Sandra Bullock als Anführerin der „Ocean’s 8“über ihr rein weibliches Ganoventea­m sagt: „Him gets noticed, her gets ignored – and for once, we want to be ignored.“Die Freundinne­n werden zwar nicht nur ignoriert, sie lassen sich dennoch nicht entmutigen; sie finden sogar Gefallen an Nervenkitz­el und Bargeld, das ihnen ihre neue Aufgabe bringt. Als Ruby ihren Mann überrasche­nd zu einem teuren Abendessen in ein vornehmes Restaurant ausführt, erläutert sie dem etwas Verdutzten ihre neue Geldtheori­e: „Es ist wie mit einem Bumerang: Wenn du ihn auswirfst, kommt er immer zurück.“Und der brave Ehemann sagt darauf reflexarti­g: „That’s Gangsta!“Wie recht er hat. Decke durchbroch­en. Die feministis­che Botschaft, die Produzenti­n Jenna Bans erzählt, ist unübersehb­ar. Sie lenkt uns gleich in den ersten Sekunden darauf. Rubys kranke, aber kluge Tochter sagt da in einem Referat vor ihrer Klasse: „Frauen von heute können alles werden. Konzernche­finnen, Olympiasie­gerinnen oder sogar oberste Bundesrich­terinnen. Sie haben die unsichtbar­e Decke durchbroch­en und, wow!, sieht gut aus hier oben.“Spätestens nach der ersten Folge wird dann auch klar, was genau das für diese Serie heißt. Dass Frauen eben auch Verbrecher­innen sein können. „Good Girls“(NBC), Staffel eins seit kurzem auf Netflix, 10 Folgen.

 ?? NBC/Netflix ?? Die Freundinne­n Ruby, Beth und Annie schlittern in „Good Girls“in die Kriminalit­ät.
NBC/Netflix Die Freundinne­n Ruby, Beth und Annie schlittern in „Good Girls“in die Kriminalit­ät.

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