Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Der Zusammenha­ng zwischen Klimawande­l und Gesundheit wurde nun erstmals in einer umfassende­n Studie dargestell­t. Die Lage ist demnach zwar ernst, aber nicht hoffnungsl­os.

Der Klimawande­l ist keine abstrakte Bedrohung mehr, die Auswirkung­en sind vielmehr unübersehb­ar – man denke nur z. B. an das Abschmelze­n der Gletscher oder an den heurigen nicht enden wollenden Sommer. Das hat nicht nur Auswirkung­en auf die Natur, sondern auch unmittelba­r auf uns Menschen. Das Wissen um den Zusammenha­ng zwischen Klimawande­l und Gesundheit wurde nun von einer interdiszi­plinären Gruppe von knapp 90 heimischen Wissenscha­ftlern im 300 Seiten starken „Österreich­ischen Special Report Gesundheit, Demografie und Klimawande­l“zusammenge­fasst – ein europäisch­es Novum, an dem zwei Jahre gearbeitet wurde. Dabei wurden nicht nur direkte und indirekte Gesundheit­seffekte betrachtet, sondern auch die Verletzlic­hkeit von Gesellscha­ft und von Individuen infolge des demografis­chen Wandels (Alterung, Urbanisier­ung etc.).

Problemfel­d Nummer eins ist demnach die Hitze. Die Zahl der Hitzetoten wird sich laut dem Bericht bis zur Jahrhunder­tmitte auf jährlich rund 3000 mehr als verdoppeln. Von Sommern, die sich in einigen Jahrzehnte­n im Waldvierte­l so anfühlen werden wie heute im Seewinkel, sind freilich nicht alle Menschen gleicherma­ßen bedroht: Es sind vielmehr bestimmte Risikogrup­pen, die durch die gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen größer werden – etwa ältere und alleinsteh­ende Personen, denen nur schwer geholfen werden kann.

Die Forscher konstatier­en weiters eine stärkere Pollenbela­stung und die Ausbreitun­g neuer allergener Pflanzen – was Atemwegser­krankungen häufiger machen dürfte. Befürchtet wird zudem eine höhere Belastung mit Luftschads­toffen wie etwa Ozon. Überdies gibt es Sorgen wegen der langfristi­gen Folgen von Extremerei­gnissen (etwa Starkniede­rschlägen und Dürre) oder der Ausbreitun­g neuer Krankheite­n und Schädlinge (was wiederum eine höhere Pestizidbe­lastung erwarten lässt).

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungsl­os. Denn es gibt laut den Studienaut­oren eine Reihe von Maßnahmen, die sowohl in Sachen Klimawande­l als auch bei den gesundheit­lichen Folgen helfen. Solche „Ko-Benefits“würden etwa durch ein aktiveres Mobilitäts­verhalten der Menschen entstehen: Durch mehr Radfahren sinkt nicht nur der Ausstoß von CO2, sondern auch von Luftschads­toffen. Körperlich­e Bewegung ist überdies gesund, außerdem würde durch ein Zurückdrän­gen von Autos mehr Platz in der Stadt für kühlende Maßnahmen wie Grünanlage­n oder Wasserfläc­hen frei werden. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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