Die Presse am Sonntag

Endlich ein Quarantäne­lied

- THOMAS KRAMAR

Ela Minus: »Dominique«. Die Popmusik, wie wir sie kennen, hat bisher in Sachen Covid-19 weitgehend versagt, die traumatisc­he Erfahrung von Lockdown und Quarantäne hat sie kaum behandelt, geschweige denn verdichtet, der 40 Jahre (!) alte Joy-Division-Song „Isolation“blieb bei Weitem unerreicht. Hier versucht sich eine junge Frau am Thema, und irgendwie wundert es einen nicht, dass sie in der ästhetisch­en Tradition der Achtzigerj­ahre steht. „I haven’t seen anyone in a couple of days“, singt sie, während das Bassthema unerbittli­ch abwärts strebt, „my brain is getting used to the haze“, es klingt weniger nach bitterer Einsamkeit als nach Ennui, den auch die zwitschern­den Heimdisco-Synthie-Einwürfe nicht vertreiben können. Sie wolle nicht schlafen, bis die Sonne aufgeht, singt Ela Minus, doch es klingt, als ob sie Tag und Nacht gar nie mitbekomme­n könne in ihrer steten Halbwelt, und das macht den subtilen Grusel dieser Nummer wohl aus.

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