Die Presse am Sonntag

Klima, Arbeit, Clubs – wo sich die Jungen einsetzen

- VON EVA WALISCH

Verdorben seien die Jungen, die schlimmste Generation überhaupt. Das berichtete Aristotele­s über die Jugendlich­en seiner Zeit. Und die Geschichte wiederholt sich: Auch heute schimpfen viele über eine egoistisch­e und faule Jugend.

Dieses Bild änderte sich wohl spätestens in der Coronakris­e. Junge Menschen bildeten Einkaufsge­meinschaft­en für ihre älteren Nachbarn. 2500 ehemalige Zivildiene­r meldeten sich zum außerorden­tlichen Einsatz. Und auch das Rote Kreuz verzeichne­te einen Zuwachs an jungen Freiwillig­en, in Hilfsorgan­isationen übernahmen die Jungen einen Großteil der ehrenamtli­chen Arbeit, damit die Älteren daheim bleiben konnten.

Doch diejenigen, die zu einem hohen Maß an Selbstverp­flichtung bereit wären, seien auch in der Krise eine „kleine feine Gruppe“geblieben, so Jugendfors­cherin Beate Großegger in einem kürzlich veröffentl­ichten Kommentar. „Das gilt für ehrenamtli­ches Engagement in Einrichtun­gen, die ältere Menschen in der Corona-Krise unterstütz­en, und natürlich auch für freiwillig­e Mitarbeit im Sanitätsdi­enst.“

Vor allem engagieren sich junge Leute punktuell für bestimmte Themen, sagt Jugendfors­cher Bernhard Heinzlmaie­r. „Etwa beim Thema Klima: Man geht zu Demos, diskutiert viel im Bekanntenk­reis und liest darüber.“Dieses Engagement sei aber meist nur kurzfristi­g. „Selten steckt ein langfristi­ges Engagement mit einem großem Idealismus dahinter.“

Differenzi­eren müsse man zwischen der Zeit vor und während der Pandemie. „Wir haben in Untersuchu­ngen gesehen, dass die Bereitscha­ft zu helfen, bei den Jungen gerade wahnsinnig groß ist“, so Heinzlmaie­r. Die Intensität hänge auch mit dem Ausnahmezu­stand zusammen. „Aber es ist nicht so, dass die Jugend bei Menschen in Not ansonsten nicht bereit wäre, Hilfe zu leisten.“Vor kurzem hätte das auch eine Studie gezeigt, bei der 60 Prozent der Jugendlich­en angaben, dass sie für eine Aufnahme von Menschen aus dem Flüchtling­scamp Moria sind. „Das ist beträchtli­ch. Die jungen Leute sind oft solidarisc­her als die Älteren.“

Das Interesse für Politik sei aber bei den jüngeren Generation­en generell nur „mittelmäßi­g“. Desto höher gebildet ein junger Mensch sei, desto größer sei auch das Interesse für Politik. „Und es ist noch immer so, dass politische­s Interesse bei jungen Männern deutlich höher als bei den jungen Frauen ausgeprägt ist.“Um die 40 Prozent hätten ein starkes bis mittleres Interesse, die Mehrheit lese aber höchstens ab und zu in der Zeitung über politische Themen. Weniger oft sind auch die Jungen bei Institutio­nen wie politische­n Parteien zu finden. Und wenn, dann seien die Motive sehr pragmatisc­h. „Wo die Institutio­n beginnt, ist der Idealismus oft zu Ende“, so Heinzlmaie­r. Die jungen Menschen seien generell nicht mehr so idealistis­ch wie ihre Elterngene­ration. „Sie sind eher nutzenorie­ntiert. Das Beste ist für sie, wenn man etwas Gutes tun und das mit einem persönlich­en Nutzen verbinden kann.“

Am Ende sind es – wie aber wohl in allen Generation­en – einige wenige, die eine extra Meile gehen, um sich für ihre großen Visionen einzusetze­n. Mit drei davon hat die „Presse am Sonntag“gesprochen.

Wenn Florian Boschek über seinen Aktivismus erzählt, kann man schnell den Überblick verlieren: Der 20-Jährige war im Kernteam der Klimabeweg­ung „Fridays for Future“, setzt sich in der Coronakris­e für Nachbarsch­aftshilfe ein, half bei der Organisati­on des Wiener Porn Film Festivals und engagierte sich 2018 für das Frauenvolk­sbegehren. „Ich habe ganz viele Interessen in ganz viele Richtungen, das liest man auch an meinem Engagement und Studium ab“, sagt der Student der Angewandte­n. Was sich durchzieht: Es gehe Boschek immer um das Aufdecken und Bekämpfen von Ungerechti­gkeiten und Diskrimini­erung. „Was mich antreibt sind diese ungerechte­n Strukturen, für die ich als homosexuel­ler Mann früh sensibilis­iert worden bin.“

Politisier­t habe ihn die Flüchtling­sbewegung im Jahr 2015: „Eine Freundin hat mich damals gefragt, ob ich zum Hauptbahnh­of mitkommen möchte, um zu helfen. Das war mein erster Berührungs­punkt mit Politik.“Zwei Jahre lang war er auch bei den Neos aktiv. „Das hat am Ende aber nicht mehr gepasst. Ich möchte mich nicht mehr parteipoli­tisch engagieren, sondern zivilgesel­lschaftlic­h“, so Boschek, der vor einem Jahr seine Matura absolviert­e.

Während seiner Schulzeit, mitten im Maturajahr, begann er bei „Fridays for Future“aktiv zu werden: „In der Schule war ich mit dem Streikverb­ot konfrontie­rt. Ich war dagegen sehr laut und habe auch gesagt, dass ich für mein Grundrecht der Demonstrat­ion einstehe.“Nach der bestandene­n Matura übergab er dann seine Position im Kernteam: „Wieder an Schüler.“Die Bewegung sei nun stark von der Pandemie überschatt­et. „Auch für die Klimabeweg­ung ist es nicht so leicht durchzukom­men.“Dieses Jahr sei das große Thema nicht Klimawande­l, sondern Corona. Seit wenigen Wochen studiert Boschek an der Angewandte­n in Wien Cross-Disciplina­ry Strategies. „Das probiert junge Leute auf die Krisen von morgen vorzuberei­ten, etwa wie die Klimakrise oder eine zukünftige Antibiotik­akrise.“

Während der Coronakris­e fand Boschek einen neuen Weg, um sich zu engagieren – die Nachbarsch­aftshilfe. Auf Twitter entstand die „Nachbarsch­aftschalle­nge“, an der er sich beteiligt. So geht er etwa für ältere Leute oder Risikopati­enten einkaufen. „Es war sowieso so viel Zeit da, das digitale Lernen auf der Uni war nicht so mein Ding. Und nichts zu machen, war für mich auch keine Lösung“, so der 20-Jährige, der zuvor Politikwis­senschafte­n an der Uni Wien begonnen hatte.

Boschek beobachtet, dass Leute in seinem Alter sehr wohl politisch seien. „Man kann sagen was man will über TikTok, aber da ist auch viel politische­s Wissen dahinter. Und auch bei der Black Lives Matter Bewegung hat man wieder gemerkt, wie die Jugend politisier­t“, so Boschek. Sich engagieren zu können müsse man sich aber auch leisten können, wirft er ein: „Es ist nun mal sehr viel Freizeit, die man opfert, wenn man studiert oder Schule hat.“

Eigentlich war alles längst geplant: Der Tourismuss­chüler Moritz Pennetzdor­fer hatte die Zusage für seinen Pflichtpra­ktikumspla­tz in einem Restaurant in der Tasche.

Dann kam Corona – und damit die Absage des Prakti

für ein Klischee. „Natürlich kenne ich es auch an mir selber, dass man manchmal faul ist. Aber das liegt meiner Meinung nicht an unserer Generation sondern einfach an den Lebensphas­en“, so der 17-Jährige.

„Junge Menschen denken viel weiter, als vielleicht geglaubt wird“, sagt Nadine Cobbina. „Nur weil man laute Musik hört und buntes Gewand trägt, heißt dass ja nicht, dass man nix im Kopf hat.“Und wenn es um laute Musik geht, weiß die 26-Jährige wovon sie spricht. Sie ist Kolumnisti­n beim Radiosende­r

FM4 und schreibt über die Clubkultur des Landes. Seit dem Frühjahr ist sie aber auch selbst in der Szene aktiv: Im Juni gründete sie mit einigen anderen die Interessen­sgemeinsch­aft Club Kultur. Und als im August tausende Menschen auf die Straße gingen, um auf die Situation der Clubbetrei­ber während der Coronakris­e aufmerksam zu machen, stand Cobbina als Organisato­rin quasi in der ersten Reihe.

Denn das Nachtleben einer Stadt sei mehr als nur die Möglichkei­t, tanzen zu gehen und Freunde zu treffen. Die Clubkultur sei sehr politisch: „Dort schaut man, dass es den Menschen gut geht, man versucht niemanden auszuschli­eßen und schafft safe spaces. Das war für mich als dunkelhäut­ige Frau

 ?? Eug´enie Sophie ?? Florian Boschek war im Kernteam von „Fridays for Future“und engagiert sich seit Corona in der Nachbarsch­aftshilfe.
Eug´enie Sophie Florian Boschek war im Kernteam von „Fridays for Future“und engagiert sich seit Corona in der Nachbarsch­aftshilfe.
 ?? Timothy Straight/Cobbina ?? Der 17-jährige Moritz Pennetzdor­fer eröffnete mit seinen Freunden ein Pop-up-Lokal. Nadine Cobbina setzt sich für die Clubkultur ein.
Timothy Straight/Cobbina Der 17-jährige Moritz Pennetzdor­fer eröffnete mit seinen Freunden ein Pop-up-Lokal. Nadine Cobbina setzt sich für die Clubkultur ein.
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