Die Presse am Sonntag

Mode gegen Menschenha­ndel

- VON IRENE ZÖCH

Vor 17 Jahren kam Joana Adesuwa Reiterer nach Wien, als Opfer von Frauenhand­el. Heute führt sie ein Sozialunte­rnehmen, das genau dies verhindern will.

Spricht Joana Adesuwa Reiterer von ihrer Arbeit, strahlt sie. Ihr Job ist für die 39-Jährige nicht irgendeine Arbeit, um am Monatsende beruhigt den Kontostand prüfen zu können. Was sie macht, macht sie aus voller Überzeugun­g. Reiterer ist mit ihrem Modelabel Joadre in drei Ländern auf zwei Kontinente­n tätig, sie führt Schulungen und Workshops durch, zu ihren Online-Beratungst­erminen müssen ihre Kunde eine virtuelle Nummer ziehen.

Doch Joana Adesuwa Reiterers Modeuntern­ehmen ist keine herkömmlic­he Firma, vielmehr handelt es sich um ein Sozialunte­rnehmen. Die gebürtige Nigerianer­in hilft benachteil­igten Frauen in ihrer alten Heimat in Westafrika, ihre eigene Schneidere­i auf die Beine zu stellen. In kleinen Produktion­sstätten nähen sie Taschen, Bekleidung und Einrichtun­gsaccessoi­res aus afrikanisc­hen Stoffen für den österreich­ischen,

Falsche Versprechu­ngen, falsche Hoffnungen und zerstörte Leben.

aber auch für den nigerianis­chen Markt. Via Internet und in Geschäften in Österreich und Deutschlan­d sind die bunt gemusterte­n Beutel, Rucksäcke und Jacken erhältlich. „Ich will den Frauen eine Perspektiv­e in Nigeria geben“, sagt Reiterer. Denn aufgrund fehlender Zukunftsau­ssichten, fehlender Jobs und fehlender Bildung werden viele Nigerianer­innen leichte Opfer für Menschenhä­ndler. Diese schwärmen ihnen vom Leben in Europa vor, doch der Traum von Geld, von Status oder vom leichteren Überdie-Runden-Kommen endet für viele Frauen in der Zwangspros­titution in Bordellen oder auf dem Straßenstr­ich. „Wenn diese Frauen etwas in ihrer Heimat gefunden hätten, von dem sie leben könnten, hätten sie sich nie auf solche Verspreche­n eingelasse­n“, sagt Reiterer. Ihr Unternehme­n soll genau diesen Frauen Perspektiv­e bieten.

Für diese Erkenntnis ist Joana Adesuwa Reiterer jedoch durch die harte Schule gegangen: Denn genau so – durch die falschen Versprechu­ngen eines Mannes, in den sie verliebt war – kam sie als junge Frau aus der nigerianis­chen Megacity Lagos nach Wien. Bald kommt sie dahinter, dass ihr Ehemann ein Menschenhä­ndler ist, der viele Frauen mit ähnlicher Masche nach Europa bringt und auf den Strich schickt. Auch Reiterer soll für ihn arbeiten.

Via Italien in die EU. In Österreich sind rund 400 Prostituie­rte aus Nigeria registrier­t, viele arbeiten jedoch illegal. Europaweit prostituie­ren sich (bzw. werden zur Prostituti­on gezwungen) schätzungs­weise mehr als 100.000 nigerianis­che Frauen (die Zahlen stammen aus einer UN-Studie, die allerdings rund zehn Jahre alt ist). In Deutschlan­d wurden 2018 im Zusammenha­ng mit einem Gerichtsve­rfahren gegen einen Menschenhä­ndlerring folgende Zahlen genannt: Innerhalb von drei Jahren (2015 bis 2018) sind mehr als 200.000 Nigerianer­innen über Italien in die Europäisch­e Union eingereist. Das deutsche Bundeskrim­inalamt schätzt, dass 80 Prozent von ihnen in der Prostituti­on enden.

Hinter dem Handel mit jungen Frauen steht ein gut organisier­tes Netzwerk:

hervor. Eigenschaf­ten der Menschen besten und die schlechtes­ten

„Greenland“bringt die als geplant ins Kino.

am Donnerstag früher

Gerard Butler kommt damit es schon Parallelen zur Pandemie. Denn bei den einen bringt das die schlechten Seiten heraus und bei den anderen die guten.

Und bei Ihnen?

Ich hoffe natürlich die guten. Ich habe mich in der aktuellen Situation schon gefragt: Kann ich den Helden, den ich in meinen Filmen spiele, gerecht werden? Wähle ich den ehrenvolle­n Weg, auch wenn der schwierige­r ist, oder den leichten Pfad? Und ich versuche, den Letzteren zu nehmen. Mental war ich da schon richtig eingestell­t. Ich habe mich auch nicht von der ganzen Angst anstecken lassen, selbst wenn ich die Gefahr ernst nehme.

Sie drehen inzwischen schon wieder. Aber werden Ihnen diese ständigen Actionheld­en in Extremsitu­ationen nicht langsam ein bisschen zu viel?

Das kommt auf die Rolle an. Eigentlich habe ich viel schottisch­e DNA in mir, und Schotten sind nun einmal ein robustes Völkchen. Bei „Greenland“habe ich es allerdings etwas übertriebe­n. Da gibt es eine Kampfszene, in der ich mich total verausgabt habe. Denn mein Protagonis­t muss unbedingt siegreich bleiben, um seine Familie zu retten. In jede Einstellun­g habe ich die ganze Verzweiflu­ng, die ich aufbringen konnte, hineingele­gt. Und jedes Mal bekam ich Nackenschm­erzen. Das wurde danach nicht besser. Nach sechs Monaten war mir klar, dass mich dieses Problem weiter begleiten wird. Jetzt denke ich mir: Vielleicht hätte ich etwas weniger machen sollen, denn so sehr ich das filmische Resultat mag, die ganzen Probleme war es nicht wert.

Heißt das, Sie gehen jetzt anders an Ihren Job heran?

Ja, das hat aber auch mit der Pandemie zu tun. Ich habe gelernt, dass ich mich nicht so sehr auf meinen Job fixieren soll. Wir gehen alle wie Schlafwand­ler durchs Leben, kümmern uns nur um die Arbeit. Das galt auch für mich. Jetzt frage ich mich: Ist es mein einziges Ziel, dass meine Filmografi­e immer länger wird? Gibt es sonst noch etwas im Leben? Worauf kommt es mir an? Darauf versuche ich jetzt eine Antwort zu finden.

 ?? Wolfgang Mayer St. Poelten Austria ?? Joana Adesuwa Reiterer in ihrem Studio zu Hause, wo sie ihre Blogs und Trainingsv­ideos produziert.
Wolfgang Mayer St. Poelten Austria Joana Adesuwa Reiterer in ihrem Studio zu Hause, wo sie ihre Blogs und Trainingsv­ideos produziert.
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