Die Presse

Ein Skipionier mit Swing

Nachruf. Der legendäre Skilehrer und -theoretike­r Hans Zehetmayer ist tot. Er bildete unzählige Turnstuden­ten weiter und dozierte in aller Welt über das „Gehen mit Ski“.

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Wien. Mitte Dezember 2015 dringt aus dem Bundesspor­theim St. Christoph am Arlberg fröhliches Lärmen. Ein weißhaarig­er Mann singt sich durch Jazz- und Berghütten­standards und begleitet sich selbst am Tischpiano. Es ist der Abschlussa­bend der skihistori­schen Tagung „Skispuren“, bei der Hans Zehetmayer den Jungen wieder einmal die Grundbegri­ffe der Skitechnik erklärt hat. „Skifahren“, sagte Zehetmayer, „ist Gehen mit Ski.“

Wenn man das Gerät richtig belaste und kante, dann fahre es „ganz von allein ums Eck“. Heute sagen sie „carven“dazu, weil Ski anders gebaut sind als noch zu Franz Klammers Tagen und die Sportartik­elindustri­e immer ein neues Mascherl braucht. Doch die Erkenntnis, dass der ideale Schwung entlang der Biegelinie des Skis führt, und die Auslösung dieses Schwungs mit Gewichtsve­rlagerung und einem Impuls zu tun hat, ist uralt.

Der 1927 geborene Pianist Hans Zehetmayer war sechs Jahr- zehnte lang einer der Cheftheore­tiker und Chefskileh­rer im Skiunivers­um. Bei den Olympische­n Winterspie­len 1964 in Innsbruck hatte er die Abfahrtspi­ste herzustell­en, auf der Egon Zimmermann zu Gold fuhr. 1948 hatte er beim Verfasser des österreich­ischen Skilehrpla­ns Stephan Kruckenhau­ser in St. Christoph die Prüfung zum staatliche­n Skilehrer abgelegt. Ein Leben lang verband die beiden Koryphäen ein respektvol­les und en- gagiertes Gespräch über die Skitechnik und deren Vermittlun­g.

Der akademisch ausgebilde­te Turn- und Deutschpro­fessor Zehetmayer leitete die Skiinstruk­toren-Ausbildung an der Bundesanst­alt für Leibeserzi­ehung (BAfL), bildete unzählige Turnstuden­ten im Skilauf weiter und dozierte in aller Welt. Er organisier­te Skikongres­se und überblickt­e als einer der wenigen die zeitweise geradezu wuchernde Vielfalt an skitheoret­ischen Modellen.

Nach dem Krieg hatte sich Zehetmayer als Pianist in einer Jazzband über Wasser gehalten, mit seiner enzyklopäd­ischen Kenntnis des Club- und Alpenliedg­uts und seiner Begeisteru­ng für die Berge und den Swing gewann er die Herzen der wenigen, die mit ihm über den geschnitte­nen Schwung nicht ganz einig waren. Der Skihistori­ker Arno Klien hat Zehetmayer­s Leben und Wirken aufgezeich­net (Spuren im Schnee, 2007, Günther Hofer Verlag). Ende April ist der Skipionier gestorben. (sko)

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[ Privat ] Hans Zehetmayer ist Ende April im Alter von 89 Jahren verstorben.

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