Die Presse

Bewegung bei der Mindestsic­herung

1500-Euro-Limit. In der ÖVP hält man zwar an der monatliche­n Obergrenze fest. Der schwarze Arbeitnehm­erbund ist aber dafür, zusätzlich Wohnkosten als Sachleistu­ng abzugelten.

- VON KARL ETTINGER

Wien/Linz. In die starren Fronten in der rot-schwarzen Koalition bei der Neuregelun­g und Verschärfu­ng der Mindestsic­herung kommt jetzt doch Bewegung. Es geht um den am heftigsten umkämpften Punkt: die sogenannte Deckelung des Sozialgeld­es für Familien mit 1500 Euro im Monat. Die ÖVP ist dafür, die SPÖ dagegen. Der ÖVP-Angestellt­enbund (ÖAAB) mit Obmann August Wöginger, der als ÖVP-Sozialspre­cher ein Hauptverha­ndler ist, macht nach internen Beratungen im Gespräch mit der „Presse“eine Tür für eine Kompromiss­lösung auf: Am 1500-Euro-Limit – Familienbe­ihilfe für Kinder kommt auch jetzt schon dazu – gibt es nichts zu rütteln, aber höhere Wohnungsko­sten könnten übernommen werden. Allerdings nur unter der Bedingung, dass diese in Form einer Sachleistu­ng direkt abgedeckt werden. Damit soll auf höhere Wohnkosten in Städten reagiert werden.

Schon derzeit ist ein Viertel der Mindestsic­herung fix als Anteil zur Deckung der Wohnkosten vorgesehen. Das reicht freilich bei den 256.000 Mindestsic­herung-Beziehern des Vorjahres in vielen Fällen nicht aus. Damit – größere – Familien entspreche­nd Platz haben, wäre künftig trotz des 1500-EuroLimits eine Abgeltung mittels Sachleistu­ng möglich, sodass damit tatsächlic­h höhere Wohnkosten gedeckt werden. Der ÖAAB-Chef nennt aber nicht nur die Sachleistu­ng als Bedingung, sondern auch eine Erhebung des tatsächlic­hen Wohnbedarf­s gegenüber den Behörden. Mit der neuen Facette in der Diskussion wird dem Vorwurf von Kritikern der Wind aus den Segeln genommen, ausgerechn­et für größere Familien gebe es dann nicht genügend Platz.

Salzburg, Vorarlberg dafür?

Das daran für die gesamte ÖVP Bemerkensw­erte ist: Wöginger macht der „Presse“gegenüber deutlich, auch die beiden ÖVP-Landeshaup­tleute aus Salzburg und Vorarlberg, Wilfried Haslauer und Markus Wallner, hätten sich in Gesprächen mit ihm mit dieser Variante einverstan­den gezeigt. Salzburg und Vorarlberg waren – neben Tirol – dem 1500-Euro-Limit im Gegensatz zur ÖVP in Niederund Oberösterr­eich sowie in Wien skeptisch-ablehnend gegenüberg­estanden. Ein Grund dafür: In bei- den Bundesländ­ern sind die Grünen Koalitions­partner der ÖVP.

Der ÖVP-Arbeitnehm­erbund hat sich bei einer Neuregelun­g der Mindestsic­herung, die schon ab Anfang 2017 fällig ist, noch auf einen weiteren Punkt festgelegt. Für Asylberech­tigte soll es nach dem Vorbild von Oberösterr­eich eine niedrigere Mindestsic­herung geben. In Oberösterr­eich liegt sie für Asylberech­tigte auf Zeit und subsidiär Schutzbere­chtigte seit Juli bei 520 Euro im Monat – plus einem Taschengel­d von 40 Euro. Der ÖAAB stellt sich dabei hinter ein Modell, das auch ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka bereits angeregt hat: Wenn jemand in den vergangene­n fünf Jahren nicht in Österreich gelebt hat, hat er nur Anspruch auf die niedrigere Mindestsic­herung. Die volle Auszahlung liegt derzeit im Monat für Alleinsteh­ende bei maximal 838 Euro.

Außerdem zählt für den ÖAABChef, der sich am 10. September bei einem Bundestag in Graz offiziell der Wahl stellt, ein dritter Fixpunkt zur Neuregelun­g der Mindestsic­herung. Diese soll, wie zuletzt von Integratio­nsminister Sebastian Kurz und ÖVP-Vertretern aus den Bundesländ­ern gefordert, an die Verpflicht­ung zu gemeinnütz­iger Arbeit geknüpft werden.

Im Sozial- und Wirtschaft­sbereich gibt es umgekehrt von SPÖSeite ein erstes Signal für ein Entgegenko­mmen bei den stockenden Verhandlun­gen in der Regierung über flexible Arbeitszei­ten und die Erlaubnis für einen Zwölf-StundenTag. Ausgerechn­et Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) ließ zuletzt in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“aufhorchen. Das komme darauf an, sagte er: „Wenn es um eine Drei-Tage-Woche geht, diskutiere ich gern über den Zwölfer. Nicht in allen Branchen, aber da kann man reden.“

Der Sozialmini­ster, der aus der Metallerge­werschaft kommt, ist damit auf Gewerkssch­aftlinie. Bei einer Arbeitszei­treduktion auf eine Drei- bis Vier-Tage-Woche, die auch im Interesse vieler Arbeitnehm­er ist, ist man für Verhandlun­gen offen. Überbewert­en will man das im Sozialress­ort allerdings nicht: Stöger habe Gesprächsb­ereitschaf­t signalisie­rt, es komme aber auf die Details an. Der ÖAAB ist in der Frage schon weiter: Es könne den Zwölf-Stunden-Tag geben, wenn die Arbeitnehm­er etwa durch eine Dreieinhal­b-Tage-Woche profitiere­n.

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