Die Presse

Energiewen­de: Keine Atempause!

Gastkommen­tar. Drohender Rückfall in dunkle Zeiten mit Protektion­ismus, Stillstand und Konservier­ung veralteter Strukturen.

- VON STEFAN MOIDL UND FLORIAN MARINGER Stefan Moidl ist Geschäftsf­ührer der IG Windkraft, Florian Maringer ist für die Technik zuständig. Die IG ist die österreich­ische Interessen­vertretung für Windkraft.

Im Beitrag „Wer Ökostrom sagt, muss auch Stromautob­ahn sagen“in der „Presse“vom 22. August wird als zentrale These Folgendes in den Raum gestellt: Die Energiewen­de verdient eine Atempause, um das Netz aufzurüste­n, bevor es weiteren Windund Sonnenstro­m verdauen kann. Das stimmt so nicht! Eine Atempause der Energiewen­de wäre nur zum Nutzen der verkrustet­en europäisch­en Stromstruk­turen mit ihren Überkapazi­täten an Kohleund Atomkraftw­erken und jedenfalls zum Nachteil der österreich­ischen Energiewir­tschaft.

In ganz Europa liegt der Anteil an erneuerbar­en Energien auf dem Stromsekto­r bei einem Viertel - also weit weg von einer dominieren­den Rolle. In Deutschlan­d liegt der Anteil bei knapp 33 Prozent, auf einem Pfad wie er bereits vor Langem festgelegt wurde. Insofern also konsequent und geplant. Auch wurde das Bild vermittelt, es sei das Hauptprobl­em, den Sonnenstro­m aus Spanien nach Mitteleuro­pa oder den Windstrom im Norden zu Verbrauche­rn im Süden zu bringen.

Der wahre Grund, warum die Netze ein Problem haben, ist, dass im Zuge der Strommarkt­liberalisi­erung und der Gestaltung eines gemeinsame­n europäisch­en Strommarkt­s die einzelnen Marktregio­nen gekoppelt werden und man keine Rücksicht auf Stromnetz und physikalis­che Grenzen nimmt. Dass dies bisher „nur“bezüglich der deutschen Energiewen­de diskutiert wird, liegt eher an den Kommunikat­ionsressou­rcen der straucheln­den Energiegig­anten, nicht an der Realität. Woher kommt also das „Zuviel“, von dem man immer liest?

Engpässe ignorieren­d wird Strom gehandelt, und Kraftwerke pumpen mehr Strom in die Leitungen als benötigt. Auch bei stark negativen Strompreis­en und Überlastun­g speisen Kohle- und Atomkraftw­erke in Deutschlan­d weiter in großem Stil Strom in die Netze. Belegt ist das durch eine umfangreic­he Sammlung an Studien von Consentec, Frauenhofe­r, Agora Energiewen­de oder dem Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung. Sie zeigen, dass diese Kraftwerke unabhängig von Problemen ihre Erzeugung nicht reduzieren (AKW nicht unter 65 %, Kohle nicht unter 45 % ihrer Leistung). Selbst an den besten Tagen erreichen die Erneuerbar­en in Deutschlan­d nur maximal 80 % des Verbrauchs. Der Überschuss kommt also aus fossilen und nuklearen Kraftwerke­n, die keine Kosten der Umweltvers­chmutzung tragen müssen und die die erneuerbar­e Erzeugung, teilweise ignorieren­d, einfach einspeisen.

Im Gegensatz dazu bleiben Akteure wie etwa die APG und andere Unternehme­n rationale Erklärunge­n schuldig, mit denen sie ihre polemische­n Anwürfe gegen erneuerbar­e Energien belegen können. Das Fazit des Artikels ist wohl korrekt – der Netzumbau ist notwendig! Die Analyse und Folgerung jedoch nicht. Es sind nicht die Erneuerbar­en, deren Ausbau gebremst werden muss.

Was ist wirklich notwendig ?

So wird lediglich verdeckt, was wirklich notwendig ist: Der Aus-, Ab- und Umbau muss noch forcierter vorangetri­eben, der Reformstau beseitigt werden. Während erneuerbar­e Energien ausgebaut werden, muss man konsequent die – ohnehin durch staatliche Förderung errichtete­n – Kohle- und Atomkraftw­erke an den erneuerbar­en Markt anpassen und letztlich abschalten.

Funktionie­ren kann das nur durch eine ambitionie­rte Energiepol­itik, vor allem in Österreich, das in den vergangene­n Jahren eher durch Abwesenhei­t auf diesem Parkett geglänzt hat. Die geforderte Atempause bei der Energiewen­de wäre ein Rückfall in dunkle Zeiten mit Protektion­ismus, Stillstand und Konservier­ung veralteter, wenig zukunftstr­ächtiger Strukturen. Die Energiewen­de ist der größte Treiber für brauchbare Lösungen für die Zukunft, auch bei der Netzinfras­truktur.

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