Höchstgericht kippt Burkini-Verbot
Frankreich. Das Dekret eines Badeorts verletze Freiheitsrechte.
Wien/Paris. Es ist ein Grundsatzentscheid mit großer Wirkung: Frankreichs Oberstes Verwaltungsgericht setzte das im südfranzösischen Badeort Villeneuve-Loubet verhängte Burkini-Verbot aus. Der Beschluss ist nicht endgültig, ein abschließendes Urteil soll erst folgen. 30 Gemeinden hatten diesen Sommer das Tragen der muslimischen Ganzkörperanzüge an ihren Stränden verboten und damit eine politische Diskussion weit über Frankreichs Grenzen entfacht. Der Richterspruch ist für alle Verwaltungsgerichte des Landes bindend. Die anderen Verbote sind damit nicht automatisch aufgehoben – es muss erst juristisch gegen sie vorgegangen werden.
Mit dem Entscheid gab der Staatsrat in Paris Klagen von Menschenrechtsorganisationen statt. Das Dekret des Ortes verletze „die Religionsfreiheit, die persönliche Freiheit und Bewegungsfreiheit schwerwiegend und ist ganz klar illegal“, urteilte das Gericht. Frei- heitsrechte könnten nur bei „erwiesenen Risken“für die öffentliche Ordnung eingeschränkt werden. Begründet haben die Stadtverwaltungen das Verbot mit der angespannten Lage nach den jüngsten Terroranschlägen. Strandbekleidung, die religiöse Zugehörigkeit offen zur Schau stelle, könne die öffentliche Ordnung gefährden, argumentierten etwa die Behörden in Cannes. Der Richterspruch wird die Debatte in dem laizistischen Land vor den Präsidentenwahlen 2017 wohl kaum beenden. So meinte der Konservative Nicolas Sarkozy am Donnerstag, er werde sich für ein landesweites Burkini-Verbot einsetzen, sollte er in den Elysee-Palast einziehen. Die sozialistische Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem hingegen fürchtet, dass ein Burkini-Bann den Weg für Rassismus ebne. Präsident Francois¸ Hollande rief zur Mäßigung auf: Es dürfe weder Provokation noch Stigmatisierung geben. (ag.)