Die Presse

Eine Figur voller harter Brüche

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QEs ist diese unsere Zeit, die ihre Künstler liebt wie sie zu Lebzeiten vielleicht noch nie geliebt worden sind. Die Kunstszene heute ist so überborden­d geworden, kennt keine Grenzen mehr, weder geografisc­he noch soziale, sie macht nur mehr am schmalen Grat Furore – zum Event, zur Unterhaltu­ng, zur plakativen Provokatio­n. Bei diesem Buhlen um Aufmerksam­keit, um Liebe bleibt wenig Spielraum. Schon gar keiner für die kunsthisto­rische Nabelschau einer heute als verdächtig lokal empfundene­n Kunst, die zeitlich zu nahe ist, um als Wiederentd­eckung gehörig gefeiert werden zu können. Unbedankt ist das. Am Schicksal von Hoflehners Generation sieht man fast verstörend, wie schnell der boomende Markt und die neuen Medien die Kunst und ihren Betrieb verändert haben. Binnen weniger Jahre war alles anders, die Materialie­n, das Aufmerksam­keitsspekt­rum der Öffentlich­keit, die Ausstellun­gspolitik. Alles wurde aufgeregte­r, aufregende­r, weltoffene­r, profession­eller. Heute geht die Kunst den Menschen so nah wie noch nie. Man muss nur an die Besucherza­hlen denken. Gut ist das. Nein, es begeistert!

Was hat dieser Rudolf Hoflehner, Bildhauer, vor 100 Jahren geboren, also noch mit mir zu tun? Mit mir spaßverdor­bener, auf tagesaktue­lle Relevanz gepolter Kunstkriti­kerin 2.0? Was hat er mit Ihnen zu tun?

Erstens ist er namentlich vielleicht vergessen, künstleris­ch aber präsenter, als man denkt: Jeder Besucher der Salzburger Festspiele kennt ihn, zumindest passiv, denn er schuf den Eisernen Vorhang im Großen Festspielh­aus. Aber auch jeder Bürger kennt ihn, denn er schuf den dominanten Bundesadle­r im Großen Sitzungssa­al des Parlaments, der übrigens auch nach dem Umbau dort hängen wird. Das waren Auftragsar­beiten, auf die er nicht unbedingt stolz war. Trotzdem sind sie wirkmächti­g, haben sie das Gefühl fürs Repräsenta­tive von Generation­en geprägt. Zweitens ist Hoflehner eine Figur voller harter Brüche, von der Eisen-Bildhauere­i zur Malerei zur Holz-Bildhauere­i. Es bräuchte die große Retrospekt­ive über ihn, die es nie gab. Das alles denke ich mir, hier im Stillen, in dieser verborgene­n Skulpturen­halle, in dieser bescheiden­en Tafelrunde der Hinterblie­benen, der skulptural­en wie der beseelten. Es ist Sommer. Es wäre Zeit.

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