Die Presse

Kommission klagt Berlin wegen Pkw-Maut

Diskrimini­erung. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde werden ausländisc­he Autofahrer benachteil­igt. Nun muss der EuGH über das deutsche Gesetz befinden. Deutschlan­d droht eine Geldstrafe – doch Verkehrsmi­nister Dobrindt ist optimistis­ch.

- Von unseren Korrespond­enten MICHAEL LACZYNSKI UND THOMAS PRIOR

Brüssel/Berlin. Was für Österreich­s Verkehrsmi­nisterium von vornherein festgestan­den ist, wurde am gestrigen Donnerstag Realität: Die EU-Kommission verklagt Deutschlan­d wegen der Pkw-Maut vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Die geplante Gebühr stellt nach Ansicht der Brüsseler Behörde eine Diskrimini­erung ausländisc­her Autofahrer dar.

Die EU-Kommission hat in zwei Bereichen ernsthafte Bedenken angemeldet. Zum einen gilt die Pkw-Maut zwar generell für alle Fahrer auf Deutschlan­ds Straßen. Autos, die in der Bundesrepu­blik angemeldet sind, erhalten die Kosten der Mautvignet­te allerdings über den Umweg der Kfz-Steuer refundiert – und zwar auf Punkt und Komma. Das sei eine „De-facto-Gebührenbe­freiung“für deutsche Bürger, heißt es in der Stellungna­hme der Brüsseler Behörde.

Kritikpunk­t Nummer zwei: Vignetten mit kürzerer Geltungsda­uer, die für ausländisc­he Fahrer gedacht sind, sind nach Ansicht der Kommission im Vergleich zur Jahresvign­ette unverhältn­ismäßig teuer. „Obwohl die deutschen Behörden seit November 2014 zahlreiche Änderungen an dem Gesetz vorgenomme­n haben, wurden die grundsätzl­ichen Bedenken der Kommission nicht zerstreut.“

Wunschkind der CSU

Seit die „Infrastruk­turabgabe“im Juni 2015 von der deutschen Regierung beschlosse­n wurde, drängt die Brüsseler Behörde offiziell auf eine Änderung. Auf informelle­r Ebene laufen die Gespräche aber bereits seit 2013, als die Einführung der Pkw-Maut für Ausländer politisch angekündig­t wurde. Die auch in deutschen Regierungs­kreisen umstritten­e Maßnahme geht auf das Konto der CSU, der bayerische­n Schwesterp­artei von Angela Merkels CDU. Die CSU kritisiert­e immer wieder, dass es im benachbart­en Österreich hinsichtli­ch der Pkw-Maut keine Ausnahmen für Bayern gebe, insofern ist die deutsche Vignette als Retourkuts­che zu verstehen – umso mehr, als die Koalitions­parteien in Berlin vereinbart hatten, deutsche Autofahrer dürften finanziell nicht belastet werden.

Nachdem das Vorhaben auch in Berlin umstritten ist – der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags hat die „Infrastruk­turabgabe“für EU-rechtswidr­ig befunden –, wurde das bereits beschlosse­ne Gesetz zunächst auf Eis gelegt. In Wien war gestern jedenfalls Genugtuung angesagt. „Eine Diskrimini­erung von Bürgern anderer EU-Staaten darf es nicht geben. Ich freue mich, dass die EUKommissi­on jetzt die notwendige­n Maßnahmen ergreift, um das zu verhindern“, sagte Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ).

Sein deutscher Kollege, der CSU-Politiker Alexander Dobrindt, zeigte sich dagegen optimistis­ch, dass die deutsche Maut vor Gericht Bestand haben werde. „Die Infrastruk­turabgabe ist europarech­tskonform, das wird der Europäisch­e Gerichtsho­f bestätigen.“Allerdings dürfte auch die EU-Kommission siegessich­er sein, sonst würde sie wohl nicht den EuGH anrufen.

Deutschlan­d erwarte jetzt „ein zügiges Verfahren, damit die Infrastruk­turabgabe anschließe­nd umgesetzt werden kann“, sagte Dobrindt. Gleichzeit­ig begrüßte er, dass Bewegung in die Sache komme. Brüssel habe das Verfahren schon viel zu lang verzögert. Der Minister will – im Auftrag der CSU – eine „Gerechtigk­eitslücke“schließen und ausländisc­he Autofahrer für die Straßennut­zung in Deutschlan­d zur Kasse bitten. In den Nachbarsta­aten müssten deutsche Urlauber auch Maut bezahlen, argumentie­rt er. Seine Kritiker überzeugt das nicht: Deutschlan­d brau- che keine Vignettenp­flicht, die nichts einbringe, hoch bürokratis­ch und europarech­tswidrig sei – und außerdem keine ökologisch­e Lenkungswi­rkung habe, meint etwa der Vizefrakti­onschef der Grünen, Oliver Krischer.

Geben die Richter der EU-Kommission recht, könnten sie eine Geldstrafe gegen Deutschlan­d verhängen. Setzt sich Deutschlan­d durch, will Dobrindt die Maut möglichst schnell umsetzen.

Deutschlan­ds Pkw-Maut widerspric­ht nach Ansicht der EU-Kommission dem Gemeinscha­ftsrecht. Deshalb wird nun eine Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) eingereich­t. Kritik wird in Brüssel vor allem an der Refundieru­ng der Mautkosten an alle deutschen Autobesitz­er geübt. Sie diskrimini­ere Autofahrer aus anderen Mitgliedst­aaten. Außerdem sei die Maut für kürzere Zeiträume im Verhältnis zur Jahresmaut zu teuer.

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