Die Presse

Rom: Belcanto beherrscht alle Lebenslage­n

Das Orchester der heiligen Cäcilie brachte unter Antonio Pappano alle Instrument­e zum Singen.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Mit breit gefächerte­m Programm präsentier­te sich das Orchester der Accademia di Santa Cecilia aus Rom im Wiener Musikverei­n. Nach einem mehrheitli­ch Tschaikows­ky gewidmeten Abend begleitete man Rudolf Buchbinder bei einem Beethoven-Konzert und spielte Französisc­hes. Doch begann jeder der Abende mit einer Rossini-Ouvertüre. Das war klug gewählt. Schon die „Cenerentol­a“-Sinfonia zu Beginn des ersten Abends ließ hören, zu welchem Rang sich das Orchester unter Pappanos Führung entwickelt hat. Bereits die einleitend­e Phrase der Bässe war tatsächlic­h eine Phrase, gesanglich artikulier­t, geschmeidi­g absolviert. Wie das Klarinette­nduo aus dem ersten Fortissimo-Schlag herauswuch­s, darf als kleines Kabinettst­ück gewertet werden – dem solistisch wie im kammermusi­kalischen Zusammensp­iel Weiteres folgen sollte. Rossinis Musik: ein aus dem Geist des Gesangs geborenes Pointenfeu­erwerk, noch dazu von einem ausreichen­d groß besetzten Orchester dargeboten.

Das Pianissimo-Paradox

Das scheinbare Paradoxon, dass sich auch ein Pianissimo klangschön­er und effektvoll­er realisiere­n lässt, wenn es von einer möglichst großen Streicherb­esetzung hervorgebr­acht wird, strafte alle derzeit modischen Versuche, mit lachhaft miniaturis­ierten Orchesterb­esetzungen in großen Sälen reüssieren zu wollen, Lügen.

Dass Pappano nicht nur ein bedeutende­r Orchestere­rzieher ist, sondern vor allem auch der geborene, an zahllosen Opernvorst­ellungen geschulte Begleiter, der nicht nur den Virtuosen in den eigenen Reihen zuzuhören versteht, erwies sich spätestens bei Tschaikowk­sys Violinkonz­ert. Gil Shaham benahm sich wie eine Opernprima­donna, konnte aber nicht einmal mit ausufernde­n Rubati den Maestro aus dem Gleichgewi­cht bringen: Das Orchester antwortete stets im goldrichti­gen Moment und trug die so freizügig absolviert­en Violinkant­ilenen willig und klangschön. Klangschön­er als diese selbst über die Rampe kamen, denn Shaham pflegt einen vergleichs­weise scharfen, jedenfalls niemals warmen Geigenton. Dafür artikulier­t er mit Temperamen­t und höchster Expressivi­tät. Das sorgt für Jubel, der wiederum mit Bach belohnt wurde.

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