Die Presse

Wie stark ist Chinas starker Mann?

Staats- und Parteichef Xi Jinping hat so viel Macht an sich gerissen wie seit Jahrzehnte­n keiner vor ihm. Doch sein Führungsst­il lähmt das Land – und könnte Xis Autorität untergrabe­n.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Peking. Derzeit vergeht kaum ein Tag, an dem die in Peking erscheinen­de „Volkszeitu­ng“nicht die Errungensc­haften des Vorsitzend­en Xi preist. Er eine die Partei, schreibt das Zentralorg­an der Kommunisti­schen Partei Chinas, er sorge für Stabilität im Land und bringe Harmonie in die chinesisch­e Gesellscha­ft.

Huldigunge­n dieser Art häuften sich in der Vergangenh­eit vor allem immer dann in den Staatsmedi­en, wenn es in der kommunisti­schen Führungssp­itze handfeste Probleme gab. Und das scheint auch jetzt wieder der Fall zu sein. „Der Lobgesang auf seine Person deutet darauf hin, dass Xi nicht alles unter Kontrolle hat“, vermutet Zhang Lifan, ehemaliger Historiker an der Chinese Academy of Social Sciences und Kenner der Partei.

Über diese führungsin­ternen Konflikte erfährt die chinesisch­e Öffentlich­keit kaum etwas. Chinas staatlich kontrollie­rten Medien ist es untersagt, darüber zu berichten. Sie schreiben lediglich, dass am heutigen Montag die „6. Plenartagu­ng des 18. Zentralkom­itees des Kommunisti­schen Parteikong­resses“beginnt. Und dass es bei diesem Treffen um „interne Reformen“und „Parteidisz­iplin“gehen werde.

Fünf Jahre ist Xi nun im Amt. Unermüdlic­h ist er seitdem mit harter Hand dabei, die Korruption im Land zu bekämpfen. Mehr als eine Dreivierte­lmillion Chinesen wurden seit Beginn dieser Kampagne schon belangt, allein im zurücklieg­enden Jahr über 300.000. Tausende Parteikade­r mussten sich vor der Disziplina­rkommissio­n verantwort­en und wurden verurteilt, darunter auch Dutzende im Rang von Ministern und Provinzgou­verneuren. Offiziell begründet Xi sein rigoroses Vorgehen damit, dass die Legitimitä­t der Kommunisti­schen Partei auf dem Spiel steht.

Tatsächlic­h hat die Korruption der vergangene­n Jahre ein Ausmaß angenommen, das die Partei bis in den innersten Zirkel erschütter­t. Es geht zum Teil um Hunderte Milliarden US-Dollar, die Spitzenkad­er in den Jahren zuvor veruntreut und ins Ausland gebracht haben.

Fraktionsk­ämpfe innerhalb der Partei

Zugleich hat sich der Verdacht erhärtet, dass Xi die Korruption­sbekämpfun­g dafür nutzt, sich seiner internen Widersache­r zu entledigen. Entspreche­nd viele Feinde hat er. „Xi hat inzwischen Leute aus so ziemlich allen Fraktionen gegen sich aufgebrach­t“, sagt Parteiexpe­rte Zhang Lifan. „Die Unzufriede­nheit über seinen Führungsst­il ist groß.“

Dabei unterschei­den sich die Fraktionen gar nicht so sehr in ideologisc­hen Fragen. Vielmehr handelt es sich um unterschie­dliche Seilschaft­en. Ein Teil der Führungsri­ege etwa setzt sich aus ehemaligen Mitglieder­n der Kommunisti­schen Jugendliga zusammen, der mit 80 Millionen Mitglieder­n größten Jugendorga­nisation in China. Die vergangene Führungsri­ege um Hu Jintao und Wen Jiabao ist dieser Fraktion zuzuordnen. Auch der amtierende Premiermin­ister, Li Keqiang, hat seinen Aufstieg der Jugendliga zu verdanken. Xi selbst gehört der Fraktion der sogenannte­n Prinzlinge an, Nachkommen kommunisti­scher Kader der ersten Stunde, deren Familien so etwas wie einen roten Adel bilden.

Derzeit geht Xi besonders hart gegen die Fraktion der Jugendliga vor. Zahlreiche ihrer Funktionär­e hat er bereits abgesetzt. Zudem soll er höchstpers­önlich veranlasst haben, dem Verband die Gelder um rund die Hälfte zu kürzen. Doch auch die Parteielit­en, die ihn an die Macht gebracht haben, sind unzufriede­n mit ihm. „Es gibt ganz eindeutig Widerstand innerhalb des Systems“, sagt Parteihist­oriker Zhang.

Um seine Ämter muss Xi akut nicht bangen. Bis zum 20. Parteitag im Jahr 2022 wird er gemäß den Parteigepf­logenheite­n Staatsund Parteichef bleiben. Doch bereits auf dem nächsten Parteitag im kommenden Jahr werden viele Schlüsselp­ositionen neu besetzt, darunter altersbedi­ngt mindestens fünf der sieben Posten im einflussre­ichen Ständigen Ausschuss des Politbüros. Derzeit ist Xi eifrig dabei, seine Anhänger entspreche­nd zu positionie­ren, damit sie in einem Jahr auf die vakanten Posten nachrücken.

Reformen bleiben auf der Strecke

Nach Ansicht des deutschen China-Experten Sebastian Heilmann vom Mercator-Institut für China-Forschung ist Xi bislang darin sehr erfolgreic­h gewesen, die Partei unter seine Kontrolle zu bringen. Doch Heilmann zufolge hat sich dafür an anderer Stelle ein Loch aufgetan. Er beobachtet schon seit geraumer Zeit, dass Xis zentralist­ischer Führungsst­il den Staats- und Parteiappa­rat unbeweglic­h gemacht hat. Beamte und Parteisekr­etäre würden sich nicht mehr trauen, eigenständ­ige Entscheidu­ngen zu fällen, wichtige Reformvorh­aben blieben auf der Strecke. „Wenn sich diese Lähmungser­scheinunge­n verstärken sollten, werden sich viele politische Vorhaben Xis nicht mehr erfolgreic­h verwirklic­hen lassen“, befürchtet Heilmann.

Ein Dilemma. Denn das wiederum schwächt Xis Autorität.

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[ AFP ] Xi Jinping will seine Seilschaft­en innerhalb der Kommunisti­schen Partei Chinas stärken. Damit bringt er auch die Parteielit­e gegen sich auf, die ihn an die Macht gehievt hat.

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