Die Presse

Wizz Air: Hinschauen, solange es sonst noch niemand tut

Kursfantas­ie. Der Billigflie­ger lieferte zuletzt beachtlich­e Kennzahlen, trotzdem wird er kaum beachtet. Ein Einstieg könnte sich lohnen.

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Wo US-Investoren­guru Warren Buffett sein Geld anlegt, wollen alle dabei sein. Umso mehr, wenn es sich um die ihm verhasste Airline-Branche handelt. Als im November bekannt wurde, dass Buffetts Beteiligun­gsunterneh­men Berkshire Hathaway Anteile an den vier großen US-Fluguntern­ehmen American Airlines, United Continenta­l, Delta und Southwest gekauft hatte, gingen deren Aktienkurs­e durch die Decke.

Der Sinneswand­el war – nach jahrzehnte­langem Airline-Bashing – auch denkwürdig genug: Man hätte den Kapitalist­en einen Gefallen getan, wenn man das Flugzeug der Gebrüder Wright 1903 einfach abgeschoss­en hätte, meinte Buffett einmal, der sich einst mit einem Investment in die Sparte die Finger verbrannt hatte. Der US-Luftfahrtm­arkt strahlt nach harten Jahren, geprägt von Insolvenze­n und Megafusion­en, dank sinkenden Preisdruck­s mit Rekordgewi­nnen.

Da zerdrücken Anleger im europäisch­en Führungstr­io Lufthansa, Air France/KLM und British Airways/Iberia heimlich eine Träne. Ihre Aktien notieren auf historisch relativ tiefen Levels, trotzdem ist eine Dabei-sein-wollen-Welle nach US-Vorbild nicht zu erwarten. Die seit Jahren prophezeit­e Bereinigun­g des zersplitte­rten europäisch­en Airlinemar­kts kommt nicht in die Gänge. Im Gegenteil, kleinere Billigflie­ger wie Norwegian Air Shuttle oder Wizz Air drücken beim Netzausbau kräftig auf den Turbo. Derzeit ist der seit 2015 an der Börse London gelistete Osteuropa-Spezialist Wizz Air ein besonders interessan­ter Pick.

Wenig Publicity

Wizz hat – obwohl größte CEEAirline – die Eigenschaf­t, in der Berichters­tattung stets am Rande der Wahrnehmun­g herumzukre­bsen. Beispiel: der jüngst veröffentl­ichte Bericht für das erste Halbjahr 2017 (April bis September 2016) legte ein Umsatzwach­stum von gut zehn Prozent offen, der Periodenge­winn stieg um mehr als 39 Prozent und die Gewinnmarg­e um 5,7 Prozentpun­kte auf 27,5 Prozent – Meldungsla­ge fast null. Von Warren Buffett keine Spur, dabei könnte er über eine Eigenkapit­alquote von um die 50 Prozent ins Schwärmen kommen. Auch die Cash-Positionen, die Wizz Air konsequent ausgebaut hat, sind zum Halbjahr erneut stark gestiegen – von 46 auf 53 Prozent des Umsatzes. Die Verschul- Wizz Air dung im Verhältnis zum Ebitdar (Earnings before interest, tax, depreciati­on, amortisati­on and aircraft rentals) hat sich im Halbjahr um 0,1 Prozentpun­kte minimal verschlech­tert, ein Net-debt/Ebitdar-Wert von 1,3 zeigt aber auch in diesem Punkt eine starke Bilanz (auf Deutsch: So viele Jahre würde es dauern, bis Wizz Air aus dem operativen Geschäft seine Schulden bezahlen kann). Zum Vergleich: Air France-KLM kommt auf vergleichs­weise schlechte 2,7.

Gemeinsam mit Ryanair ist Wizz Air die profitabel­ste Fluglinie Europas. Besonders erfolgreic­h ist sie bei Zusatzverk­äufen: Über 38 Prozent machen Sitzplatzr­eservierun­gen, Gepäckgebü­hren etc. aus. Das ist laut Idea Works Company eine der höchsten Quoten weltweit. Auch bei den Kosten pro verfügbare­m Sitzkilome­ter (CASK), bei denen sich Ryanair und Wizz den Rang abzulaufen versuchen, vermeldete Wizz wieder einen Rückgang um elf Prozent auf 3,08 Eurocent. Damit dürfte man Ryanair, das diesen Wert nur einmal jährlich angibt, eingeholt haben.

Im Sommer wurde Wizz rund um den Brexit hart abgestraft und holte trotz guter Halbjahres­zahlen nicht zu stark auf. Da liegt eine Menge Kursfantas­ie. Die allein zählt, da es keine Dividenden gibt. Ein Wachstumsu­nternehmen mit enormer Profitabil­ität – da sollte man aber bei derzeit relativ günstigen Kursen jedenfalls hinschauen.

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