Die Presse

Athen feiert Durchbruch bei Sparverhan­dlungen

Schuldenkr­ise. Die griechisch­e Regierung erhofft nach einer Annäherung mit den Geldgebern mehr budgetären Spielraum, den sie allerdings erst erwirtscha­ften muss. Die Reformprüf­er kehren indes ins Land zurück.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Athen. Bittere Pillen musste Griechenla­nds Finanzmini­ster Efkleidis Tsakalotos diese Woche bei der Sitzung der Eurogruppe in Brüssel schlucken. Und trotzdem gab es im Anschluss in Athen viele lachende Gesichter: Die Koalitions­regierung unter Alexis Tsipras war durch die Verzögerun­gen in den Verhandlun­gen mit den Gläubigern über die Zukunft des griechisch­en Rettungspr­ogramms schwer unter Druck geraten. Jeder Tag der Unsicherhe­it verringert­e die Chancen auf eine Stärkung des zarten Wachstums und eine Rückkehr an die Kapitalmär­kte. Da waren die Rückkehr der Prüfer des Gläubiger-Quartetts nach Athen und die Aussicht auf eine endgültige Einigung in den kommenden zwei Monaten eine gute Nachricht. Neuwahlen, von der Opposition und vielen Medien immer intensiver herbeigere­det, sind damit vorerst vom Tisch.

Erstmals gab es in Brüssel wieder aufmuntern­de Worte. Eurogruppe­nvorsitzen­der Jeroem Dijsselblo­em merkte an, dass die griechisch­en Budgets im Gegensatz zu früher „halten“, und Klaus Regling, Chef des EU-Rettungssc­hirms, sprach von „Vertrauen“, das Athen gewonnen habe. Das hörte sich schon ganz anders an als die scharfen Töne zu Weihnachte­n, nachdem Tsipras den griechisch­en Pensionist­en eine Sonderzahl­ung in der Höhe von insgesamt 600 Millionen Euro überwiesen hatte.

Letztlich hat sich wohl die Ansicht durchgeset­zt, dass mit Blick auf die Wahlgänge in Deutschlan­d und in Frankreich das Thema Griechenla­nd noch im Frühjahr 2017 vom Tisch sein sollte. Die Budget- und Wirtschaft­sdaten des Mittelmeer­landes waren 2016 besser als erwartet: Das primäre Budgetplus, das heißt die Überschüss­e unter Abzug des Schuldendi­enstes, dürfte 2016 zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung statt der planmäßige­n 0,5 Prozent betragen; dazu kommt ein leichtes Wirtschaft­swachstum von 0,4 Prozent. Die Folge: Zusätzlich­e Sparprogra­mme für die Laufzeit des Programms 2017 und 2018 dürften vom Tisch sein.

Diese positive Entwicklun­g kann jedoch nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Regierung Zugeständn­isse gemacht hat, die schmerzhaf­t sind. Vor allem wurde der Forderung des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) nachgegebe­n, vorbeugend Maßnahmen für die Zeit nach Auslaufen des Rettungspr­ogramms zu beschließe­n. Der Währungsfo­nds spricht immer wieder von Strukturma­ßnahmen, um das zu erwartende Wirtschaft­swachstum „nachhaltig“zu stabilisie­ren. Konkret wird 2019 wohl die Steuerfrei­grenze gesenkt werden, um die Steuerleis­tung auf eine breitere Basis zu stellen, es werden Pensionen gekürzt, um die langfristi­gen Belastunge­n für das Budget zu reduzieren. Einzelheit­en werden nun auf Beamtenebe­ne in Athen diskutiert. Gleichzeit­ig gab es einen Freibrief, jene Überschüss­e, die über dem vorgegeben­en Budgetziel liegen, künftig für „wachstumsf­ördernde“Maßnahmen auszugegeb­en.

Ende der Sparpakete?

Ob dieses „budgetär neutrale“Ergebnis nun ein Erfolg für die Regierung oder eine Katastroph­e für das Land ist, wird in Griechenla­nd heftig diskutiert. Sofort nach Ende der Eurogruppe sprach die Regierung vom „Ende der Sparpakete“und einer „Stärkung des Wachstums“– eine mehr als gewagte These. Denn es ist wahrschein­lich, dass neben 2018 auch 2019 ein primärer Budgetüber­schuss von 3,5 Prozent erreicht werden muss. Da wird auch bei gutem Wachstum wenig Budgetspie­lraum bleiben.

Trotz der guten Budgetdate­n ist die Lage Griechenla­nds dramatisch­er als weithin wahrgenomm­en. Vor allem sinkt wieder das Vertrauen der Sparer in die griechisch­en Banken. Seit Dezember nehmen die Kontoeinla­gen wieder ab. Ende 2016 lagen sie fast wieder auf dem Niveau des Chaos-Sommers 2015, als die Kapitalver­kehrskontr­ollen verhängt werden mussten.

Wolfgang Schäuble muss die irrational­en Zielvorgab­en fallen lassen. Der Sprecher der griechisch­en Regierung Dimitris Tzanakopou­los

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