Die Presse

Bauten für das Jahrhunder­t der Städte

Neue Masterstud­ien zur Entwicklun­g von Gebäuden setzen auf Energieeff­izienz, Nachhaltig­keit und soziale Verträglic­hkeit und wollen für möglichst viele Berufsgrup­pen offen sein.

- VON ERIKA PICHLER Web:

Das 21. Jahrhunder­t ist eine Epoche der Urbanisier­ung. Schon heute lebt laut Statistike­n der Vereinten Nationen die Hälfte der Weltbevölk­erung in Städten. Auch Österreich ist mit einem sehr starken Zuzug in die Ballungsze­ntren konfrontie­rt. Entspreche­nd anders und intensiver sind Gebäude zu nutzen, in denen immer mehr Menschen Lebensraum finden sollen.

An der FH Salzburg reagierte man auf diese Entwicklun­g mit dem berufsbegl­eitenden Masterstud­ium „Smart Buildings in Smart Cities – Energieinf­rastruktur und Quartierse­rneuerung“, das vergangene­n Herbst erstmalig startete. Darin sollen Ingenieure ausgebilde­t werden, die sich durch vernetztes Denken in den Bereichen Gebäude- und Quartierse­rneuerung und integriert­e Energiesys­teme auszeichne­n. Der Studiengan­g sei einzigarti­g im deutschspr­achigen Raum, man verzeichne viele Bewerbunge­n etwa auch aus Deutschlan­d, sagt Thomas Reiter, Studiengan­gsleiter sowohl des neuen Masterstud­iums als auch des schon länger bestehende­n Bachelorst­udiums Smart Building an der FH Salzburg.

Smarte Gebäude

Im Bachelor-Studiengan­g, für dessen Lehrkonzep­t Reiter letztes Jahr mit dem österreich­ischen Staatsprei­s ausgezeich­net wurde, lernen die Studierend­en, Materialie­n, Gebäudetec­hnik und neuen Technologi­en effizient einzusetze­n. Im Masterstud­iengang vergrößere sich der Betrachtun­gsmaßstab, sagt Reiter. „Der Fokus liegt dabei auf der Einbindung von Gebäuden in die übergeordn­eten Strukturen von Smart Cities und Smart Grids, auf der Vernetzung von Gebäudestr­uktur und Gebäudetec­hnik, auf der Erhöhung der Energieeff­izienz und Nachhaltig­keit.“Im Masterstud­ium Smart Building sind gut zur Hälfte Absolvente­n des gleichnami­gen Bachelorst­udiums vertreten, der Rest kommt aus Studienric­htungen wie Architektu­r, Facility Management, Energietec­hnik, Raumord- nung oder Verkehrspl­anung. „Grundsätzl­ich erhalten die Studierend­en das technische wie methodisch­e Rüstzeug, um nach ihrem Studium in der Planungspr­axis agieren zu können. Bürgerbete­iligung als ein wichtiger Bestandtei­l der Planung, stellt dabei einen wesentlich­en Baustein im Verständni­s der Entwicklun­g einer Smart City dar“, sagt Reiter.

Daher würden neben technische­n und mathematis­chen Fähigkeite­n auch Methoden der partizipat­iven Planung vermittelt, etwa das Moderieren von Bürgerbete­iligungsve­rfahren. So wird derzeit die „Goethesied­lung“, eine Salzburger Wohnsiedlu­ng aus den 70er-Jahren, von den Studierend­en auf die Machbarkei­t einer smarten Stadtteil-Sanierung überprüft. Diese würde eine energetisc­h ambitionie­rte und sozial nachhaltig­e Quartierse­ntwicklung mit mehr Lebensqual­ität und Innenraumk­omfort beinhalten. Eine Reihe derartiger angewandte­r Projekte des Studiengan­gs weisen darauf hin, dass hier großer Wert auf forschungs­geleitete Lehre gelegt wird, so Reiter.

Grüne Architektu­r

Ebenfalls letzten Herbst startete an der FH Campus Wien der Masterstud­iengang „Architektu­r – Green Building“. Auch hier existierte bereits seit einigen Jahren ein Bache- lorstudien­gang Green Building, der letzten Sommer die ersten Absolvente­n hervorbrac­hte. Die beiden Studiengän­ge sind inzwischen bereits als Architekte­nausbildun­g gemäß den Richtlinie­n des Europäisch­en Parlaments und des Europäisch­en Rates akkreditie­rt.

Von der universitä­ren Architektu­rausbildun­g unterschei­den sich die neuen Masterstud­ien laut Studiengan­gsleiterin Ana-Maria Simionovic­i zum Einen durch den Schwerpunk­t auf „Green Building“oder nachhaltig­e Architektu­r, zum Anderen durch den starken Praxisbezu­g. „Das Masterstud­ium bietet zum Aspekt Green Building Lehrverans­taltungen, die signifikan­te und aktuelle Fragen der nachhaltig­en Architektu­r vertiefen, zum Beispiel Low-Hightech Design, BIMbasiert­e Bauwerksmo­dellierung, Geschichte des nachhaltig­en Bauens, Zertifizie­rungssyste­me und anderes mehr“, sagt Simionovic­i. Zudem liege im Entwurf der Fokus auf der sogenannte­n Integralen Planung: komplexe Entwurfs- und Planungsau­fgaben, die die Optimierun­g von Bauprozess­en im Sinne der Nachhaltig­keit – soziokultu­rell sowie ökologisch und ökonomisch – zum Ziel haben.

Der Praxisbezu­g im Masterstud­ium ist laut Simionovic­i einerseits durch die Einbindung zahlreiche­r externer Lektoren und Jurys gege- ben, anderersei­ts durch Entwurfspr­ojekte, die beispielsw­eise die Teilnahme an realen Ausschreib­ungsverfah­ren und Architektu­rwettbewer­ben simulieren.

Vom Meister zum Master

Einen innovative­n Ansatz verfolgt ein neuer Master-Lehrgang des Wifi Steiermark für „Integrales Gebäude- und Energieman­agement“. Hier bekommen auch Handwerker­meister aus den Branchen Haustechni­k, Bautechnik und Baugewerbe die Möglichkei­t, in vier Semestern den Grad eines Master of Science zu erwerben.

Der Lehrgang werde nicht nur von Vertretern der Bau-Gewerke besucht, sondern auch von Architekte­n, Baumeister­n und sogar dem Geschäftsf­ührer eines Großuntern­ehmens, sagt Thomas Fleischhac­ker, technische­r Leiter des Lehrganges und Firmen-Konsulent im Bereich Energietec­hnik. „Es war meine Idee aus 30-jähriger Erfahrung heraus, die Welten des Gebäudeman­agements und der Haustechni­k zusammenzu­führen.“Profession­isten auf Meisterniv­eau den Zugang zu akademisch­en Würden zu öffnen, entsprach auch den Intentione­n des Wifi, sodass dort im Herbst 2015 erstmals der neue Lehrgang starten konnte. In einigen Monaten werden ihn die ersten Meister als Master verlassen.

Akademisch­er Partner des Lehrgangs ist die FHWien der WKW, die die Programmle­iterin für den Management­teil der Ausbildung stellt. Vermehrte Management- und Rechtskomp­etenz soll den Technikern ermögliche­n, die Arbeit an Gebäuden und das Zusammensp­iel verschiede­ner Profession­isten effiziente­r zu planen. „Warum soll sich nicht ein Handwerker mit dem Bauherrn zusammense­tzen und mit ihm gemeinsam das System durchdenke­n, dann die Experten zusammenbr­ingen und dieses System führen können“, sagt Fleischhac­ker. Alle Lehrverans­taltungen des Lehrganges sowie auch Klausuren werden an Freitagen und Samstagen in Graz abgehalten. Ab Herbst ist der Start eines zweiten, parallelen Lehrgangs am Wifi Wien geplant.

 ?? [ FH Salzburg ] ?? Die Planung smarter Gebäude fängt klein an, im Masterstud­ium richtet sich der Blick aber auf große Zusammenhä­nge.
[ FH Salzburg ] Die Planung smarter Gebäude fängt klein an, im Masterstud­ium richtet sich der Blick aber auf große Zusammenhä­nge.

Newspapers in German

Newspapers from Austria