Bauten für das Jahrhundert der Städte
Neue Masterstudien zur Entwicklung von Gebäuden setzen auf Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und soziale Verträglichkeit und wollen für möglichst viele Berufsgruppen offen sein.
Das 21. Jahrhundert ist eine Epoche der Urbanisierung. Schon heute lebt laut Statistiken der Vereinten Nationen die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten. Auch Österreich ist mit einem sehr starken Zuzug in die Ballungszentren konfrontiert. Entsprechend anders und intensiver sind Gebäude zu nutzen, in denen immer mehr Menschen Lebensraum finden sollen.
An der FH Salzburg reagierte man auf diese Entwicklung mit dem berufsbegleitenden Masterstudium „Smart Buildings in Smart Cities – Energieinfrastruktur und Quartierserneuerung“, das vergangenen Herbst erstmalig startete. Darin sollen Ingenieure ausgebildet werden, die sich durch vernetztes Denken in den Bereichen Gebäude- und Quartierserneuerung und integrierte Energiesysteme auszeichnen. Der Studiengang sei einzigartig im deutschsprachigen Raum, man verzeichne viele Bewerbungen etwa auch aus Deutschland, sagt Thomas Reiter, Studiengangsleiter sowohl des neuen Masterstudiums als auch des schon länger bestehenden Bachelorstudiums Smart Building an der FH Salzburg.
Smarte Gebäude
Im Bachelor-Studiengang, für dessen Lehrkonzept Reiter letztes Jahr mit dem österreichischen Staatspreis ausgezeichnet wurde, lernen die Studierenden, Materialien, Gebäudetechnik und neuen Technologien effizient einzusetzen. Im Masterstudiengang vergrößere sich der Betrachtungsmaßstab, sagt Reiter. „Der Fokus liegt dabei auf der Einbindung von Gebäuden in die übergeordneten Strukturen von Smart Cities und Smart Grids, auf der Vernetzung von Gebäudestruktur und Gebäudetechnik, auf der Erhöhung der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit.“Im Masterstudium Smart Building sind gut zur Hälfte Absolventen des gleichnamigen Bachelorstudiums vertreten, der Rest kommt aus Studienrichtungen wie Architektur, Facility Management, Energietechnik, Raumord- nung oder Verkehrsplanung. „Grundsätzlich erhalten die Studierenden das technische wie methodische Rüstzeug, um nach ihrem Studium in der Planungspraxis agieren zu können. Bürgerbeteiligung als ein wichtiger Bestandteil der Planung, stellt dabei einen wesentlichen Baustein im Verständnis der Entwicklung einer Smart City dar“, sagt Reiter.
Daher würden neben technischen und mathematischen Fähigkeiten auch Methoden der partizipativen Planung vermittelt, etwa das Moderieren von Bürgerbeteiligungsverfahren. So wird derzeit die „Goethesiedlung“, eine Salzburger Wohnsiedlung aus den 70er-Jahren, von den Studierenden auf die Machbarkeit einer smarten Stadtteil-Sanierung überprüft. Diese würde eine energetisch ambitionierte und sozial nachhaltige Quartiersentwicklung mit mehr Lebensqualität und Innenraumkomfort beinhalten. Eine Reihe derartiger angewandter Projekte des Studiengangs weisen darauf hin, dass hier großer Wert auf forschungsgeleitete Lehre gelegt wird, so Reiter.
Grüne Architektur
Ebenfalls letzten Herbst startete an der FH Campus Wien der Masterstudiengang „Architektur – Green Building“. Auch hier existierte bereits seit einigen Jahren ein Bache- lorstudiengang Green Building, der letzten Sommer die ersten Absolventen hervorbrachte. Die beiden Studiengänge sind inzwischen bereits als Architektenausbildung gemäß den Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates akkreditiert.
Von der universitären Architekturausbildung unterscheiden sich die neuen Masterstudien laut Studiengangsleiterin Ana-Maria Simionovici zum Einen durch den Schwerpunkt auf „Green Building“oder nachhaltige Architektur, zum Anderen durch den starken Praxisbezug. „Das Masterstudium bietet zum Aspekt Green Building Lehrveranstaltungen, die signifikante und aktuelle Fragen der nachhaltigen Architektur vertiefen, zum Beispiel Low-Hightech Design, BIMbasierte Bauwerksmodellierung, Geschichte des nachhaltigen Bauens, Zertifizierungssysteme und anderes mehr“, sagt Simionovici. Zudem liege im Entwurf der Fokus auf der sogenannten Integralen Planung: komplexe Entwurfs- und Planungsaufgaben, die die Optimierung von Bauprozessen im Sinne der Nachhaltigkeit – soziokulturell sowie ökologisch und ökonomisch – zum Ziel haben.
Der Praxisbezug im Masterstudium ist laut Simionovici einerseits durch die Einbindung zahlreicher externer Lektoren und Jurys gege- ben, andererseits durch Entwurfsprojekte, die beispielsweise die Teilnahme an realen Ausschreibungsverfahren und Architekturwettbewerben simulieren.
Vom Meister zum Master
Einen innovativen Ansatz verfolgt ein neuer Master-Lehrgang des Wifi Steiermark für „Integrales Gebäude- und Energiemanagement“. Hier bekommen auch Handwerkermeister aus den Branchen Haustechnik, Bautechnik und Baugewerbe die Möglichkeit, in vier Semestern den Grad eines Master of Science zu erwerben.
Der Lehrgang werde nicht nur von Vertretern der Bau-Gewerke besucht, sondern auch von Architekten, Baumeistern und sogar dem Geschäftsführer eines Großunternehmens, sagt Thomas Fleischhacker, technischer Leiter des Lehrganges und Firmen-Konsulent im Bereich Energietechnik. „Es war meine Idee aus 30-jähriger Erfahrung heraus, die Welten des Gebäudemanagements und der Haustechnik zusammenzuführen.“Professionisten auf Meisterniveau den Zugang zu akademischen Würden zu öffnen, entsprach auch den Intentionen des Wifi, sodass dort im Herbst 2015 erstmals der neue Lehrgang starten konnte. In einigen Monaten werden ihn die ersten Meister als Master verlassen.
Akademischer Partner des Lehrgangs ist die FHWien der WKW, die die Programmleiterin für den Managementteil der Ausbildung stellt. Vermehrte Management- und Rechtskompetenz soll den Technikern ermöglichen, die Arbeit an Gebäuden und das Zusammenspiel verschiedener Professionisten effizienter zu planen. „Warum soll sich nicht ein Handwerker mit dem Bauherrn zusammensetzen und mit ihm gemeinsam das System durchdenken, dann die Experten zusammenbringen und dieses System führen können“, sagt Fleischhacker. Alle Lehrveranstaltungen des Lehrganges sowie auch Klausuren werden an Freitagen und Samstagen in Graz abgehalten. Ab Herbst ist der Start eines zweiten, parallelen Lehrgangs am Wifi Wien geplant.