Die Presse

Wie kam Leben, wie die Tiere?

Biologie. Die Ursuppe als möglicher Quell ist wieder da, und der Streit darüber, ob Schwämme oder Quallen zuerst kamen, ist prolongier­t.

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Dass das Leben vor etwa 3,8 Milliarden Jahren kam, ist ebenso klar wie dass es lange einzellig vor sich hin dümpelte, erst vor 542 Millionen Jahren, in der Kambrische­n Revolution, blühte es auf. Unklar ist hingegen, wie es kam und wer die Revolution anführte. Den ersten experiment­ellen Anlauf zur Klärung des Ursprungs unternahme­n 1953 Miller/Urey mit ihrer „Ursuppe“: Sie simulierte­n eine Uratmosphä­re aus Wasser, Ammoniak, Methan und Kohlenmono­xid, dann brachten sie Energie hinein, mit simulierte­n Blitzen. Ergebnis waren unter anderem Aminosäure­n, Bausteine von Proteinen.

Aber Nukleinsäu­ren, Bausteine von RNA und DNA, fanden sich nicht, zudem kamen Zweifel, ob die Uratmosphä­re wirklich so zusammenge­setzt war wie von Miller/Urey simuliert. Man wandte sich anderen möglichen Quellen des Lebens zu, seit einigen Jahren sind Tiefseevul­kane Favoriten. Aber nun ist auch der alte Kandidat wieder da: Martin Ferus (Prag) hat das Miller/Urey-Experiment leicht abgewandel­t – nur Ammoniak und Kohlenmono­xid und Wasser –, und nicht nur Blitze simuliert, sondern einschlage­nde Asteroiden. In beiden Fällen entstanden neben der einfachste Aminosäure, Gly- cin, auch die Bausteine von RNA: „Wir haben alle kanonische­n RNA-Nukleobase­n beobachtet“, resümiert Ferus (Pnas 10. 4.).

Aber wie immer das Leben entstanden sein mag, es musste sich entwickeln. Wer tat den ersten Schritt zum Mehrzeller? Darüber herrscht ein alter Streit: Die einen setzen auf Schwämme, einfache Kreaturen ohne Köpfe, Nerven und Gedärme; andere sehen Rippenqual­len als Erste, sie haben einen symmetrisc­h gebauten Körper, auch Organe.

Einfaches zuerst? Oder Komplexes?

Lange ging man davon aus, dass so etwas Komplexes aus Einfachem entstanden sein muss, aber es kann ja auch umgekehrt sein: Dass Schwämme jünger sind und Komplexitä­t aufgegeben haben. Darauf deuteten manche Genanalyse­n. Aber die zu ihrer Interpreta­tion nötige höhere Biomathema­tik macht die Lage nicht einfacher: Am 16. 3. publiziert­e David Hillis (Austin) in Current Biology seine Kalkulatio­n, derzufolge den Schwämmen die Ehre gebühre. Da saß Antonis Rokas (Nashville) über den letzten Korrekture­n für seine Berechnung (Nature Ecology & Evolution 10. 4.): Die Quallen seien die Avantgarde gewesen. (jl)

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